Von Herbstblues bis Wintermärchen

Wir sind aus Schweden zurück und fahren gemütlich nach Süddeutschland, dabei nehmen wir alle Facetten des Herbstes mit. Während in Stockholm schon die meisten Blätter gefallen waren, sind sie hier noch dran und machen die grauen Tage etwas freundlicher.

Wir haben uns bei einer kleinen Fahrrad-Manufaktur zwei Pedelecs bestellt, die wir nun abholen wollen. Nach dem Diebstahl unserer Räder in Valencia haben wir unsere Pedelecs mehr und mehr vermisst. Die Klappräder an Bord ohne elektrischen Rückenwind taugen nur für Kurzstrecken, für längere Fahrten fehlt jeglicher Komfort und moderne Sicherheitseinrichtungen. Nach langen Recherchen im Internet sind wir auf die kleine Fahrradschmiede RSM in Neuried aufmerksam geworden. Dort hat man sich auf 20 Zoll Klappräder spezialisiert, also genau das, was Wohnmobilisten für gewöhnlich suchen. Die Testberichte lesen sich gut, somit haben wir die Räder bestellt und können die Testberichte Lügen strafen, denn in der Realität fahren sie sich noch viel besser. Das macht richtig Spaß!

Die Räder sind entgegen dem Standard für ein Körpergewicht bis 120 kg ausgelegt. Der zarte Skipper plus vollem Einkaufsrucksack, kommt zumindest in die Nähe dieser Grenze. Da der Rahmen recht massiv ist, rollt das Bike sehr ruhig auf der Fahrbahn, verwindet sich nicht und ist spurstabil. Wir jedenfalls fühlen uns auf den Rädern wohl und sicher. Ausgestattet mit jeder Menge Schlössern der höchsten Sicherheitsstufe können die Räder in der Heckgarage unseres Womo verstaut werden, der Transport auf einem Heckträger kommt für uns nicht in Frage, dass überlebt kein Fahrrad lange.

Wir haben die Räder am Main und auch am Bodensee gefahren, doch waren die Fahrten nur kurz. Die Skipperin macht Sorgen. Es ist seit Tagen grau in grau, und das schlägt ihr aufs Gemüt, dazu friert sie ständig und kann nur schwer aufgewärmt werden. Sie hat ständig kalte Hände und einfach alles, was sie anfasst, zeigt hinterher Spuren von Gefrierbrand. Eine Sitzheizung oder beheizte Lenkergriffe wie beim Krad gibt es nicht, so dass die Räder wohl für länger in der Heckgarage stehen werden. Bei einem melancholischen Blick aus dem Fenster meint die Skipperin, dass ihrer Meinung nach große Teile Deutschlands für die Besiedlung durch Menschen gar nicht geeignet sind – das klingt ernst! Der Skipper diagnostiziert akuten Vitamin D Mangel auf Grund fehlenden Sonnenscheins. Da hilft nur noch ein Ortswechsel und der Skipper steuert die wärmste Ecke Deutschlands an, die Oberrheinregion und hier Freiburg. Dort ist es laut Wetterstatistik immer einige Grad wärmer als im Rest Deutschlands und zudem hat Freiburg angeblich deutschlandweit die meisten Sonnenstunden. Das mag für den Sommer zutreffen, doch jetzt bleibt es meist grau in grau und ist dazu rattenkalt, es ist einfach Herbst und der Novemberblues wabert durch die Lande.

Auf dem Weihnachtsmarkt spendiert der Skipper einen Glühwein, die Skipperin nimmt die Tasse dankbar an und legt ihre kalten Hände darum. Doch es kommt, wie es kommen muss: nach kurzer Zeit ist in der Tasse Eistee und ihre Finger sind immer noch kalt. 5 Jahre Mittelmeer – nur Frühling und Sommer – haben uns verweichlicht. Der Skipper hat das Nordkap als Reiseziel endgültig aus seiner Liste gestrichen und trägt wohl zum ersten Mal im Leben freiwillig lange Unterhosen. So ausgestattet machen wir das Beste draus und müssen unsere Ausführungen über die deutschen Lande im letzten Blog revidieren. Es ist zwar kalt, aber wir durchfahren wunderschöne Landschaften mit bunten Wäldern und grünen Feldern und gehen auf Entdeckungstour in gepflegten Dörfern und Fachwerkstädtchen.

Hauptsache etwas Warmes!

Bei unserem Besuch in Kitzingen stehen wir auf einem Womo-Stellplatz direkt am Main, irgendwie zieht es uns ja immer ans Wasser. Bei einem Spaziergang in die nahegelegene Stadt kommen wir an einem öffentlichen Garten vorbei. Jedermann ist es erlaubt, dort gegen einen kleinen Beitrag in eine aufgestellte Kasse Gemüse zu ernten. Eine ganz tolle Idee. Gemäß der Jahreszeit haben wir noch die Auswahl zwischen allerlei Kohlgewächsen und Salaten. Leckerer und frischer geht es nicht. Das könnten viele Städte und Gemeinden eigentlich nachmachen.

Kitzingen am Main

Unser Abstecher zum Bodensee ist kurz, reicht zum Kauf von Thermounterwäsche und einer sonnigen! Radtour durch die Gemüsekulturen am See. Wir hätten gern noch eine Runde durch die Alpen gemacht. 

Sonnige Radtour am Bodensee – ein“einmaliges“ Erlebnis.

Da die Wettervorhersage aber weiterhin von Temperaturen um den Gefrierpunkt ausgeht, die dazu noch für Freunde der Farbe Grau durch Schneeregen oder gefrierenden Regen abwechslungsreich gestaltet wird, begeben wir uns wieder Richtung Norden.

Weihnachtliche Stimmung in Turkheim – liegt auf dem Weg nach Macon

Zuerst aber besuchen wir Columbia und Unisax im Winterlager: ist die Bilge trocken, wie ist der Batteriestatus? Alles OK – nur Staubteufel und Wollmäuse tummeln sich an Bord. Wir stehen für eine Nacht auf dem Parkplatz der Marina, die auch im Winter geöffnet ist. So setzen wir beruhigt unsere „Wintertour“ fort und fahren auf französischen Autobahnen in Richtung Lille und Brügge.

Weit gucken in Zentralfrankreich

Der doch nahe und noch „warme“ Atlantik sollte verhindern, dass wir in echtes Winterwetter mit Schnee geraten. Mittlerweile haben wir den zweiten Advent, von Weihnachtsdeko in Frankreich ist nur wenig bis nichts zu sehen. Strom ist sehr teuer und echt knapp, wir frieren bei einem Einkauf in einem Supermarkt einer großen Kette in Lille wie die Schneider, denn die Heizung ist aus, was gut für das Gemüse ist, denn das bleibt echt frisch. (Die Skipperin trägt beim Einkauf im Geschäft mittlerweile Handschuhe und der Skipper arbeitet die Einkaufsliste im Laufschritt ab. grrrr) Wie wir erfahren haben, mussten einige Ganzjahrescampingplätze schließen, da sie den Strom für die Sanitärhäuser nicht mehr bezahlen können. Auch bei unserer Anmeldung auf dem Campingplatz in Armentieres bei Lille wird uns mitgeteilt, dass Strom gespart werden muss. Der zum Stellplatz gehörende Stromanschluss ist reduziert von üblicherweise 16 Ampere auf 10 Ampere, das bedeutet max. 2000 Watt. Auf dem Campingplatz Memling im Zentrum von Brügge ist die Stromstärke dann noch einmal reduziert auf max. 6 Ampere oder 1380 Watt, gut, dass unser Womo-Wasserkocher nur 1200 W hat. Da wir gern elektrisch kochen (Induktionsplatte), ist das schon relevant, trifft uns aber nicht wirklich, der Gasherd tut’s ja auch.

Campingplatzidylle in Armentieres – die meisten Camper haben ein oder zwei kleine Hunde: Hühner sind neu für uns!

Die Gasflasche ist voll und unser Wohnmobil hat eine gut funktionierende Dieselheizung. Wir leiden daher keinen Mangel, das Duschhaus ist jedoch ungeheizt, lediglich warmes Wasser für die Duschen gibt es noch. Da geht das Aus- und Anziehen bei 1°C aber so was von schnell… (Wir könnten auch komfortabel im Womo duschen, da muss jedoch das Wasser rangeschleppt werden und der Wasserdampf ist bei den Außentemperaturen ein Problem.) Die Platzbeleuchtung ist abgestellt, nachts ist es dunkel wie in einer Zeche, dass ist nicht so schön. Warum sind wir nicht gleich weitergefahren?

Camping Memling in Brügge

Wir wollen nach Brügge, da haben wir einen Platz mitten in der Stadt reserviert und weil der Weihnachtsmarkt berühmt ist, ist der Platz oft ausgebucht. Wir sind überrascht, wie viele Womos im Winter unterwegs sind. Hier haben wir es wieder gut getroffen, der Platz bietet allen Komfort, und ist stark frequentiert von Engländern, die mal eben einen Kurztripp zum Wintermarktbesuch machen.

Brügge ist ein echter Tipp, von Grachten durchzogen, mit wunderschöner Altstadt, stillen Winkeln, Fahrradwegen und trübseligem Weihnachtsmarktgeschehen.

Doch ohne Bratwurststand wird kein Markt den strengen Anforderungen des Skippers genügen, da kann die Beleuchtung noch so toll sein. Trotzdem haben wir Brügge in unsere Liste aufgenommen, wir kommen wieder.

Belgische Schokolade und belgisches Bier

So lässt sich die Zeit bis Weihnachten auch bei Frost überstehen, zumal die Planung für die Fahrt danach konkrete Formen annimmt, Kurs Süd, ob Spanien und/oder Portugal wird sich zeigen. Der Skipper darf erst anhalten, wenn das Außenthermometer mindestens 20°C anzeigt und die Sonne vom Himmel lacht. Dort werden wir bleiben, bis wir uns Ende April nächsten Jahres in Macon mit Ewa und Anders treffen werden, um unsere Bootsüberführung in die Ostsee – bei hoffentlich ausreichend Wasser- wieder in Angriff zu nehmen. Wir machen nun eine Pause von unserem Blog, es sei denn spannende Erlebnisse zwingen zum Bericht. Im nächsten Jahr werden wir wieder einsteigen und von der Bootsüberführung berichten. 

Kirche in Brügge – erfrischend neu gedacht: mit Riesenschaukel am Weihrauchkandelaber und Café

Liebe LeserInnen! Durch Sonnenschein, Wind, Wellen und Wassernotstand habt ihr uns begleitet, uns von Rom bis Macon virtuell über die Schulter geschaut, geschmunzelt, gestaunt und Beinahe-Katastrophen mit uns durchgestanden. Herzlichen Dank dafür! 

Wir wünschen euch frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

2 Comments

  1. Monika

    Das wünsche ich auch, frohe Weihnachtstage in der Wärme, wo immer auch, mit Sonne und frohem Sinn für das neue Jahr. Danke für die tollen Berichte, Monika grüßt zurück …… auch aus der Wärme und ☀️ mit Sonne …

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