Stockholm und die Vasa

Nun also Stockholm – ein Traumziel der besonderen Art. Sie wird als das Venedig des Nordens bezeichnet, denn sie breitet sich über 14 Inseln aus und ist durchzogen von zahllosen Wasserstraßen.

Doch im Gegensatz zur italienischen Schwester kurven hier keine Gondeln durch enges Brackwasser, sondern feinstes Ostseenass bietet Einheimischen und Gästen unendliche Möglichkeiten. Im Sommer steppt hier wohl der Bär. Jetzt in der Winterpause ist alles auf ein Minimum reduziert, Ausflugsboote dümpeln am Anleger, ein paar Eisar… (Grog)segler haben noch das Vollzeug oben, andere sind schon mit der Winterplane abgedeckt. Bei Nieselregen und kalten 10° ist die Ausflugsfreude arg gedämpft. Topziel des Skippers ist jedoch DIE Vasa. Auf ins Museum!

Spannende Kreuzfahrt mit der Fähre

Natürlich ist die Anreise übers Wasser ein Muss, nach einem knackigen Fussmarsch von Tantolunden schiffen wir uns an der Slussen Kaje ein, Tickets gibts kompliziert über eine App oder einfach durch Auflegen der Kreditkarte auf das Terminal der Eingangskontrolle; so werden übrigens auch die Klohäuschen geöffnet, kostet Geld, dafür ist auch alles sauber.

Für dringende Bedürfnisse die Kreditkarte bereithalten!

Nach 10 Minuten endet unsere Kreuzfahrt auf der Insel Djurgarden, hier ist das Museum mit dem königlichen Großsegler. Vom schwedischen König Gustav II Adolf als Galeone in Auftrag gegeben, arbeiteten ca. 400 Männer und Frauen knapp 3 Jahre lang an dem Schiff und verarbeiteten dabei ca. 1000 Eichen.

Es war als eines der größten und schnellsten Kriegsschiffe der Welt geplant und hatte mehr Geschütze und Feuerkraft zu Wasser, als die meisten Landmächte seiner Zeit aufbieten konnten. Diese kamen glücklicherweise nie zum Einsatz, denn wie bekannt, sank das Schiff im August 1628 bei seiner Jungfernfahrt ca. 20 Minuten nach dem Ablegen bei ruhiger See noch im Stockholmer Hafen, wobei eine Vielzahl der Matrosen und mitfahrenden Soldaten ertrank, denn schwimmen konnte damals kaum jemand. Da die Mastspitzen aus dem Wasser ragten, ordnete der König an, diese unterhalb der Wasseroberfläche abzusägen, damit er das Elend nicht mehr sehen muss und so geriet die Vasa und die genaue Untergangsstelle über die Jahrhunderte mehr und mehr in Vergessenheit, bis zur Entdeckung 1956 und Bergung im Jahr 1961. Nach dem Fund begann eine noch nie dagewesene Operation, denn es stand sofort fest, dass dieser nationale Schatz als nationales Erbe gehoben und ausgestellt werden soll. Der Weg dorthin jedoch war lang, voller Überraschungen und Risiken, es gab keine Erfahrungen aus anderen Projekten. Wie sollte diese Menge Holz vor dem Verfall gerettet und konserviert werden? Beim Betreten des Museum sieht man die restaurierte Vasa sofort in ihrer gesamten Größe. Der Eindruck ist überwältigend und macht heute wie damals sprachlos. Selten hat uns ein Museum so in den Bann geschlagen. Die Vasa muss auf die Menschen wie ein Weltwunder gewirkt haben. Es wirkt allein über seine gewaltige Größe und scheint aus dem Vollen geschnitzt zu sein.

Auf mehreren Etagen rund um die Vasa geben Nachbauten der Kanonendecks, Zwischendecks mit einer Stehhöhe von 1,05 m, einen realen Eindruck vom Leben an Bord. Es laufen Filme zur Historie, Zeichnungen und original Filmmaterial von der Schiffshebung und -restaurierung vertiefen die Infos.

Auf den zweiten Blick ist man baff erstaunt über die große Menge Kunst, denn das Schiff sollte nicht nur politische Macht demonstrieren, sondern durch handwerkliches Geschick und Kunstverstand imponieren, jede Menge figürliche Schnitzereien, kunstvolle Überdachungen, Fabelwesen und und und, es wurde geklotzt – nicht gekleckert. Bei der Restaurierung fand man noch in den Holzfasern original Farbreste, mit denen das Schiff nun an einigen Stellen wieder originalgetreu bemalt ist. Heutzutage undenkbar ein Kriegsschiff –  bunt wie ein Papagei! – nix Tarnfarbe! Wir schließen uns der Meinung der Experten an, die die ständigen Änderungswünsche des Königs als Ursache für den Untergang des Schiffes annehmen. Wenn der Kiel gelegt ist, ergeben sich Breite, Länge und Höhe zwangsläufig aus gemachten Erfahrungswerten, rechnerisch konnte man die Maße damals noch nicht bestimmen. Wenn es stimmt, dass nach Kiellegung und Baubeginn der König plötzlich ein zweites Kanonendeck wünschte, begab man sich konstruktiv auf Neuland. Das Baumaterial und die Kanonen brachten enorm viel Gewicht weit über die Wasserlinie und machten das Boot instabil. Es gibt Berichte, dass der König das Ablegen anordnete, obwohl noch nicht aller Ballast in Form von Steinen verladen war, so dass eine leichte Böe die Kenterung auslöste. Bemerkenswert ist, das es kurz vor vor dem Ablegen einen Krängungstest gegeben hat, der abgebrochen werden musste, das das Schiff schon am Steg zu kentern drohte. Demnach mussten 30 Mann auf dem Oberdeck schnell von  Backbord nach Steuerbord und zurück laufen, wobei sich das Schiff gefährlich überlegte. Trotzdem legte man nur Tage später ab, denn niemand hatte den Mut dem König zu widersprechen. Nach der Katastrophe wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Katastrophe aufarbeiten und den oder die Schuldigen ermitteln sollte. Was soll jedoch dabei herauskommen, wenn man einer Untersuchung den Namen AUSSCHUSS gibt? Damals wie heute nichts greifbares außer Geschwätz, Ausschuss eben. Es gab in dieser Sache diverse Anhörungen, die Protokolle sind noch vorhanden, ein Schuldiger wurde nie benannt und die Untersuchung verlief letztlich im Sande. Jedem, der mit der Sache befasst und etwas Sachkenntnis hatte, war jedoch klar, dass der Schuldige der König war, was jedoch nicht sein konnte. Bei der Schiffshöhe und dem zusätzlichen Gewicht (reichlich Kanonen) weit oberhalb der Wasserlinie fehlten dem Schiff -wie man heute errechnet hat- lediglich 30 cm Breite in Höhe der Wasserlinie, dann wäre es ein grundsolides und schnell segelndes Kriegsschiff geworden. Heute wird die Vasa  im Museums aufwendig mittels Lasertechnik überwacht, die konstruktiven Maße wurden millimetergenau erfasst, so dass man auf jede noch so kleine Veränderung reagieren zu kann. So wird sie noch „viele Jahrhunderte“ die Besucher zum Staunen bringen. In den üblichen Nachschlagewerken und im Internet findet der Interessierte viel Wissenswertes und Fotos über das Schiff, seine Zeit und jede Menge Tatsachen und Spekulationen, was denn wohl der Auslöser dieser nationalen Katastrophe war. Jeder kann sich dazu seine Meinung bilden. Wir sind erst mal satt und besteigen die kleine Fähre mit der Vorstellung, wie einst die Vasa hier am Kai gelegen hat – was für eine beeindruckende Geschichte. Die folgenden Tage in Stockholm widmen wir eher den leiblichen Genüssen und entdecken dabei ein einzigartiges Ramen-Lokal – (der japanische Klassiker) nicht gerade schwedische Hausmannskost aber genau unser Geschmack.

Apropos schwedische Hausmannskost: die Speisekarten der Restaurants törnen uns nicht besonders an, z.B. Jansson Frestelse – Kartoffelgratin mit geräucherte Sprotten, „Schöttbular“=Köttbular, werden traditionell mit Kartoffelpü, brauner Soße und Lingon = Preiselbeersauce serviert, Raraka oder Raggunk = dünne oder dicke Kartoffelpuffer. Lecker sehen die Toasts mit Shrimpsberg (Räksmörgas) aus, die es auch als Tortenversion gibt.

Gern erinnern wir uns nun an die Dinner-Abende mit unseren Freunden, wenn sie original schwedische Gerichte Sjömannsbiff (Kartoffeltopf mit Rindfleisch) oder Ärtsoppa (Gelbe Erbsensuppe, was für eine Aktion, gelbe Erbsen in Italien zu finden!) für uns gekocht haben. So schlendern wir lieber durch diverse Supermärkte und lassen uns von dem speziell anderen Sortiment zu eigenen Interpretationen inspirieren (z.B. Shrimps-Cocktail und Shrimps Hot Chilli Pasta, mmmmh oder Schöttbullar in Tomatensoße mit – naaa? -Pasta), dazu gibt es keine Fotos – war zu schnell aufgegessen. Leider hat uns das Wetter in Stockholm nicht verwöhnt – nasskalt, richtig Herbst aber so schööön bunt. Den Rundgang durch die Altstadt mit Blick aufs königliche Schloss haben wir trotzdem genossen.

Dieses Museum und noch viele Andere konnten wir leider nicht mehr besuchen.

Nach 4 Tagen müssen wir uns von Stockholm verabschieden, unsere Stellplatzbuchung ist schon zu Ende, doch wir kommen ganz sicher wieder – das nächste Mal mit Columbia auf dem Seeweg.

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