Sizilien – die Nordküste

Die Inselschönheiten des Liparischen Archipels verschwinden im Kielwasser. Die größte Insel des Mittelmeeres rückt näher. Als gutes Omen werden wir von einer kleinen Gruppe Delphine begrüßt, das war eine der seltenen Sichtungen in diesem Jahr und lässt auf mehr hoffen. Wir sind jedes Mal hin und weg, sie zu entdecken. Aber wir wundern uns nicht, dass wir sie so selten sichten, denn an den meisten Ankerplätzen haben wir in diesem Jahr nur ein paar kleine Fische gesehen, die großen Fischschwärme sind abgeerntet und die Jäger des Meeres bleiben hungrig.

Wir hissen unter der italienischen Gastlandsflagge die Flagge Siziliens, die Trinacria auf. Wie auf Korsika und Sardinien drücken auch die Sizilianer ihren besonderen Stolz auf ihre Insel und ihre Eigenständigkeit mit einer eigenen Flagge aus. Das Aussehen ist etwas skurril und so haben wir uns erstmal über die Bedeutung des Motivs schlau gemacht: Dreibeinigkeit für die drei Eckpunkte Siziliens, in der Mitte der Kopf der Ceres, griechische Göttin des Ackerbaus, rot für Palermo, gelb für Corleone, das frühere landwirtschaftliche Zentrum. Nun sind wir also auf Sizilien angekommen und sind stark beeindruckt, der Ätna wird verdeckt durch grandiose Gebirgslandschaften, das haben wir so nicht erwartet. Der Erstkontakt mit Sizilien im kleinen Ort Capo d’Orlando wirft auch gleich ein paar andere Klischees über den Haufen.

Von Dürre keine Spur, die küstennahen Hügel sind grün, Oliven- und Zitronenplantagen, Weinanbau in Hanglage, im Ort sind die Verkehrsinseln mit üppig Blumenbeeten dekoriert. Die im Boden verbauten Bewässerungssysteme funktionieren im Gegensatz zu Ostia einwandfrei (Hier sollten die Gärtner aus Ostia mal ein Praktikum machen.) Die Marina ist topp gepflegt, frei von Müll und wird nicht nur von den Yachties belebt. Die Umgebung hat ein paar nette Restaurants zu bieten, und wir gönnen uns einen Vorgeschmack auf die überaus hoch gepriesene sizilianische Kochkunst. Zuvor haben wir neben der Marina geankert, denn unser Wassermacher muss einmal pro Woche in sauberem Meerwasser laufen, oder die Membranen der Osmoseeinheit nehmen Schaden. Wir und auch unsere Freunde sind froh, dass wir ihn haben, sonst wäre längeres Ankern nicht möglich. Ab und zu muss ein Hafentag sein, um frische Vorräte zu kaufen … und mal wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren, nach ein paar Tagen vor Anker eiert man ganz schön hin und her. Dieses Mal sind wir jedoch im Hafen, weil der Mistral Wellen erzeugt, die bis hierher laufen, und man am Ankerplatz einen Sicherheitsgurt in der Koje anlegen müßte. Wer es gerne kühl hat, ist natürlich im Sommer auf Sizilien falsch, aber die Hitze macht uns in den Häfen doch sehr zu schaffen, denn man zieht langsam im eigenen Saft gar, was man auch anzieht ist nach kürzester Zeit durchgeschwitzt und klatschnass. Zweckgemäß liegen wir überaus windgeschützt, das ist außer bei Sturm jetzt nicht so toll. Also sind wir nach zwei Tagen wieder draußen.

Es ist einfach ein Traum an der Küste entlang zu segeln, immer wieder bleibt das Auge an bizarren Felsformationen, tiefen Einblicken ins Gebirge mit schroffen Gipfeln und kleinen Bergdörfern hängen. Leider ist der geplante Ankerplatz bei Cefalu wegen des Schwelles und einem Ankerverbot im Abstand von 200m vom Strand nicht geeignet, auch Plan B klappt nicht.

Wir hängen 3 weitere Stunden dran und erreichen Termini Imerese im Dunkeln, ein „gammeliger“ Hafen neben einem großen Ölindustrie-Komplex. Typisch italienisch stimmen Seekarte und Realität nicht überein und wir tasten uns vorsichtig zwischen unbeleuchteten Bojen, unmarkierten Molenanbauten und einem halb versunkenen Schiffswrack hinein. Zum Glück sind unsere Freunde vor uns mit dem letzten Büchsenlicht angekommen und lotsen uns mit Taschenlampe und Funkgerät an einen freien Liegeplatz. Nach so viel Aufregung bleiben wir einen Tag zum Verschnaufen und kriegen interessante Einblicke in das „normale“ Sizilien. Das Hafenbüro besteht aus einem vollgestellten Container mit Aircondition, ganz im Kontrast zum Kunstrasen mit Oleanderbüschen auf dem Weg dorthin. Der Hafenmeister lässt uns das Liegegeld bestimmen und bittet um BAT, gemeint ist nicht der Bundesangestelltentarif sondern „bar auf Tatze“, eine Quittung gibt es wie so oft nicht.

Beim Rundgang durch den ehemaligen Kurort (Termini = Thermen) können wir erahnen wie reich die Stadt einst war, der Zahn der Zeit und Geldmangel lässt nur traurige Reste zurück. Und doch wohnen hier Menschen, Wäsche flattert vor den Fenstern, die maroden Leitungen transportieren wie auch immer Strom. Am zentralen Platz verkauft der Fischer seinen Fang frisch aus der Schubkarre, es gibt einen kleinen Obst- und Gemüsestand mit regionalen Produkten, neben dem Kiosk samt Außengastronomie sitzen an klitzekleinen Tischen die älteren Herren beim Cafè. Wenn die Mittagshitze einsetzt, verschwindet alles wie von Geisterhand. Jetzt irren nur noch vereinzelte Touristen herum auf der Suche nach der berühmten Scalinata di Via Roma, haben wir uns geschenkt – ist ohne Bergwertung nicht zu machen. Völlig platt und schweißnass schleichen wir mit unseren Einkäufen und Eindrücken zurück zum Hafen. Am nächsten Tag ist wieder luftige Ankerbucht dran. Es verschlägt uns nach Solanta und weil Sonntag ist, füllt eine wahre Armada von kleinen und großen Motorbooten die Bucht – Erholung suchende italienische Familien – für ein paar Stunden dolce fa niente, mit Panini und kühlen Getränken, ruhig und liebevoll geht man miteinander um, eine schöne Stimmung. Abends sind alle wieder weg, nachts schaukeln nur Unisax und Columbia auf den Wellen.

Auf den nächsten Hafenstopp, Hitze hin oder her, freuen wir uns ganz besonders: Palermo. Der Yachthafen liegt zentral an der Altstadt. Doch aufgepasst, sobald man den Steg verlässt, steht man auf dem Gehweg der vierspurigen Hauptstraße. Wie das hier alles funktioniert, erschließt sich uns nicht. Jeder Steg im Hafen hat einen anderen Pächter oder Betreiber und jeder legt nach seinem Gusto die Gebühren fest.

Marina Salpancore – Palermo

Eine Müllentsorgung gibt es im Hafen nicht, man muss seinen Abfall mit in die Stadt nehmen und hoffen einen leeren Müllbehälter zu finden. Die Mülltrennung scheint unbekannt, es gibt zwar verschiedenfarbige Tonnen, trotzdem kommt in jede alles. Doch nun zu Palermo, die Stadt hat Flair, allein der Name klingt wie Musik, sofort habe ich Caruso im Ohr. Nach Tagen in der Einsamkeit ist es wieder ein Schock auf das städtische Gewusel mitsamt dem Verkehrslärm zu treffen, und in Palermo ist es laut.

Hier haben Autos Hupen und die werden oft, gerne und viel benutzt und wenn einer hupt, hupen alle anderen mit. Manche hupen schon, noch bevor der Motor läuft. Der fließende und auch der ruhende Verkehr wird durch Verkehrsregeln nicht behindert. Da wo Platz ist, wird entweder gefahren oder geparkt. Ein Handy am Ohr während der Fahrt scheint Pflicht zu sein, Kindersitze sind unbekannt und Gurte was für Weicheier. Auf einem Motorroller oder Krad reicht eine Badehose, T-Shirt und Helm, zuweilen ist auch noch Platz für zwei Kinder und die Einkaufstasche. Letztlich ist es ja auch egal, ob man bei einem Crash wegen mangelnder Schutzkleidung zu Schaden kommt oder mit Schutzkleidung und Helm durch einen Hitzschlag aus dem Sattel fällt. Würden hier alle Handy-Verstöße wie in Deutschland mit einem Bußgeld geahndet, Italien wäre nach einem Monat schuldenfrei. Als Fußgänger werden wir an den Ampeln überraschenderweise beachtet, die Grünphase ist kurz und reicht für einen Sprint. Wir wagen einen kleinen Spaziergang durch die Straßen, sie sind wie in allen Städten mit den gängigen Geschäften und Boutiquen bestückt.

Doch in den schmalen Verbindungswegen fühlen wir uns unwohl, denn sie sind menschenleer, (weil es kommen ja keine Touris mehr) und trauen uns in so manche Gasse nicht rein. Nachts würden wir hier auf keinen Fall durchlaufen. Vielleicht tun wir den Menschen unrecht und haben ganz einfach nur zu viele Krimis gesehen. Trotz leichtem Unbehagen sind wir auf den ersten Blick von Palermo fasziniert, überall sieht man Spuren der wechselvollen Geschichte, verschiedenartigste Architektur, alte Gebäude, Ruinen aus dem Mittelalter, begrünte Boulevards, prächtige Fassaden. Doch jetzt im Sommer ist der Besuch eine wahre Tortour. So setzen wir Palermo auf unsere Besichtigungsliste für den Winter und machen uns am nächsten Morgen auf in die nächste erfrischende Ankerbucht.

San Vito lo Capo – Ankerbucht am Nordwestcap Siziliens

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