Rhone wir kommen

Die Vorarbeiten auf Columbia sind abgeschlossen. Am Mittwoch ist der Krantermin. Wir beide können uns mit der Landliegeplatzplanung nicht so richtig anfreunden, nach unseren Erfahrungen vor ein paar Jahren in Almerimar sind wir nicht scharf drauf. Jedoch war ein Wasserliegeplatz nicht zu bekommen, die Häfen sind voll. Die Ferien in Frankreich haben noch nicht begonnen, somit ist kein Schiff unterwegs. An Land stehend kann Frischwasser kann nur eingeschränkt benutzt werden, das WC überhaupt nicht. Für alles muss man die Leiter runterwackeln. Und dann die Hitze – da die Unterwasserkühlung weg fällt, wird es im Schiff unerträglich heiß. Montagmorgen – wie schon einmal haben wir die Festmacher fast gelöst, nur der Chip für die Sanitäranlagen muss noch im Marinabüro abgegeben werden, da fragt die Skipperin mutig ein letztes Mal, ob nicht doch ein Platz für Columbia für 14 Tage frei ist, da eine dringende Fahrt nach Deutschland ansteht. Bange Sekunden vergehen – dann ein breites Grinsen – jipiih – wir dürfen bleiben und sind so richtig erleichtert. Nun stehen gleich die nächsten Fragen an: wann, wo, wie den Mast ziehen. Vom Port Navy Service (2 sm entfernt) haben wir noch eine Email mit Instruktionen, wie es gehen kann. Im Kleingedruckten verweist man jedoch auf 4-5 Tage Vorlaufzeit, das bedeutet, das Rigg käme erst nach dem Deutschlandtrip runter. In jedem Fall müssen wir einen Termin vereinbaren. Dann nimmt das Telefonat mit dem Werftbüro eine überraschende Wendung. Sie haben übermorgen um 15 Uhr einen Termin frei, weil ein anderer Kunde abgesagt hat. Scheint, dass wir ’ne Glückssträhne haben. Umgehend stürzen wir uns in die Vorarbeiten: alle Fallen, Schoten, Umlenkblöcke müssen ab oder vertüdelt werden; zum Glück sind die Segel schon runter und verstaut. Alles klar! Mit mulmigem Gefühl blicken wir auf die Windvorhersage: der Löwe macht schon dicke Backen – Mittwoch Nachmittag sind mehr als 30 Knoten angekündigt. Also mutig ablegen – wird schon klappen.

Schließlich legen wir bei Windstille am Mastenkran vom Port Navy Service an. Eine halbe Stunde ist für die Arbeit angesetzt – 100 €, je weitere 15 Minuten mehr – 50€. Ein Mann am Kran, ein Helfer an Deck, es wird erwartet, dass die Crew die Vorarbeiten erledigt. Haben wir doch alles vorbereitet!?! Naja, der Decksmann erklärt uns, was noch alles zu tun ist, verabschiedet sich, um in einer halben Stunden zum Kranen wiederzukommen. Wir packen mutig Zangen, Schraubenschlüssel, etc. aus und gehen frisch ans Werk, die Sonne brennt. Columbia hat 10 Wanten und Stage, also die Stahlseile, die den Mast halten. Jedes Stahlseil ist mit einem sogenannten Wantenspanner mit dem Deck verbunden. Jeweils 3 Splinte (macht 30!) und ein Bolzen (macht 10!) sind zu entfernen, dann müssen die Wantenspanner noch „aufgeschraubt“ werden. All das hat in unserer Zeit in der Ostsee die Mannschaft der Böbswerft gemacht! Nun war Columbias Rigg in den letzten 5 Jahren an Ort und Stelle und hat den Naturgewalten, Salzwasser, Saharastaub und Ätnaasche getrotzt bzw. diese eingelagert. Die Splinte lassen sich mit Geschick und Schweiß langsam überreden, sich zu lösen. Die Bolzen scheinen fest mit der Halterung verschmolzen und leisten erbitterten Widerstand, da hilft nur grobe Gewalt, der Skipper holt die dicke Pompfe raus, die hatten wir tatsächlich nach einer früheren Schwedenreise noch an Bord, damals um Schärennägel einschlagen zu können. Als der Decksmann zurück ist, haben wir nicht mal die Hälfte geschafft. Mitleidvoll blickt er auf die schweißende Columbiacrew und wohl auch auf die Uhr. Wir stecken ihm ein Trinkgeld zu mit der Bitte uns zu helfen. Jetzt geht es zügig voran und in Nullkommanix schwebt der Mast mit dem kompletten Wanten- und Stagengedöns zum Lagerplatz. Wir bedanken uns mit `ner kalten Cola für die tatkräftige und geduldige Unterstützung.

Da liegt jetzt das gute Stück auf zwei alten Ölfässern und Autoreifen wie ausgeweidet. Wir sind fix und alle. Zufrieden tuckern wir zur Marina zurück.

Columbia oben ohne

Kaum sind wir fest – auch die Boje kriegen wir ohne Hilfe zu fassen, atmet der Löwe kräftig aus. Danke für’s Luft, äh Wind anhalten! Wir sind happy! Am nächsten Morgen holen wir den Mietwagen ab, als ob wir es geahnt hätten, können wir pomadig mit Auto und dem Verpackungsequipment zum 5 km entfernten Mastenlager fahren und das gute Stück transportfähig mit der guten Schrumpffolie vom Chinaladen aus Ostia einschweißen. So ganz einfach geht’s natürlich nicht – die dicke  Pompfe muss noch mal ran und der Skipper kann abends nicht mal mehr den wohlverdienten Humpen heben.

Endlich ist es geschafft und Columbia liegt oben ohne am Platz. Wir atmen erleichtert auf, packen unsere sieben Sachen zusammen und starten sehr früh am nächsten Morgen zur Heimattour. Wir freuen uns an wundervollen Abschluss- und Abschiedsfeiern teilnehmen zu dürfen, allein dafür hat sich der ganze Zauber gelohnt.

Die Besuchswoche ist viel zu schnell vorbei, lieben Dank an unsere Familie, Freunde und Kollegen für nette Gespräche und für’s Verwöhnen. Mit vollem Kofferraum, aber vor allem mit dem Crewmitglied auf Zeit, unserem Enkel Hannes, sind wir wieder in Port Saint Louis zurück.

Nach einer kleinen Erholungspause nehmen wir den letzten Kraftakt in Angriff: der Geräteträger an Columbias Heck muss demontiert werden, unerlässlich für die Fahrt über die kleinen Kanäle mit niedlichen Brücken und niedrigen Tunneln. Die Skipperin hat ein paar Bauchschmerzen, ob wir das wohl schaffen. Zuerst müssen die Kabel der Geräte wie Radar, Solarpaneel und dem Windgenerator frei gelegt und abgeklemmt werden, so dass sie beim Legen des Geräteträgers leicht durch das Deck rausgezogen werden können.

Dabei gilt es sorgfältig nach Gebrauchsanweisung vorzugehen, denn sonst nimmt der Regler, der den Strom des Windgenerators und des Solarpaneels in die Batterien pumpt irreparablen Schaden. Auch das Kabel des Radargeräts sieht dick aus, besteht in seinem Inneren aber aus vielen bunten dünnen Kabeln von etwa Haaresdicke, die über einen filigranen Westernstecker mit unserem Netzwerk verbunden sind. Dabei verläuft dieses Kabel „unterirdisch“ durch viele Backskisten, durchquert den Motorraum und fast durch das halbe Schiff und muss erst mal freigelegt werden.

Hannes hat seine erste Bewährungsprobe als Schraubenakrobat, er kriecht gelenkig in die Backskisten und löst geschickt alle Schrauben und Muttern des Trägers. Dann sind kräftige Arme gefragt. Die Skipperin bittet kurzerhand das Paar des Nachbarschiffes (eine Feltz-Yacht aus Stahl) um Unterstützung. Tatkräftig packen die Beiden als offensichtlich eingespieltes Team mit an. Mehrmals mit Schmackes geruckelt und der Heckträger lässt sich aufs Vorschiff wuchten. Geschafft – alles andere ist „Fine Tuning“.

Wir sind startklar. Das Wetterfenster scheint sich Samstag zu öffnen. Dann soll der bisweilen stürmische Südwind abgeklungen und die Gewitter abgezogen sein. Rhone wir kommen!

Doch vorher gibt es noch eine Riesenüberraschung: unsere Segelfreunde Britta und Franz von der Segelyacht Ankermal, eine Reinke 13M, wissen von unserem Binnenvorhaben und planen uns zu besuchen. Gestern klopft es am Bug und plötzlich stehen die beiden lachend vor Columbia. Sie sind mit ihrem Womo auf der Rückreise von Portugal nach Franken und wollen sie nur mal kurz „Hallo sagen“. Wir freuen uns riesig und verbringen einen tollen Nachmittag/Abend mit Fachsimpeln und Klönschnack. Einfach super! Wer weiß, vielleicht wird im nächsten Sommer aus unserer Zweier-Flotille durch den Götakanal ein Kleeblatt. Mit unseren Freunden Ewa und Anders stehen wir in engem Kontakt, sie sind uns ja mit ihrer Unisax schon viele Rhone-Meilen voraus und füttern uns mit wertvollen Informationen. Leider müssen sie die Mittsommer-Party dieses Jahr ohne uns feiern, wirklich schade! Wenn sie von ihrem Schwedentrip zurück sind, holen wir das nach.

3 Comments

  1. Sinja

    Einfach schön, Euren Geschichten, Impressionen zu folgen. Man hört und riecht quasi dabei das Meeres- bzw. Flusswasser, so nah ist man dran! Passt mir gut auf das neue Crewmitglied auf, so einen Guten bekommt Ihr so schnell nicht wieder
    ! Wir vermissen Ihn jetzt schon, freuen uns aber einfach nur für Eure gemeinsame Zeit!
    Bei dem möglichen niedrigen Wasserständen in den Flüssen weiterhin immer ne handbreit Wasser unterm Kiel, immer nen vollen Teller Nudeln und vor allem Gute Fahrt!

  2. Henrik

    Hab‘s erst jetzt lesen können, daher die späte Rückmeldung. Toll, dass sich die Crew so schnell und mannschaftstauglich bewährt. Das wird ganz bestimmt ein unvergessliches Erlebnis für unseren Großen – und für euch sicher auch.
    Kleiner Tipp am Rande: Falls die Laune mal durchhängt oder Skorbut droht, hilft ein leberwurstgetränktes Baguette (>50 cm). Aber übertreibt es nicht, sonst bekommen wir einen „Schwermatrosen“ zurück. Viele liebe Grüße an euch!

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