Von der Cote d’Azur zur Rhone

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Wir machen noch vor Imperia fest. In Andora, mit einem „r“, machen wir den letzten Stopp in Italien, der kleine Ort ist eine echte Überraschung, norditalienisch kultiviert mit Strandpromenade, da wird auch schon gebadet, und kleinen propperen Lädchen und Restaurants. Auf dem Marinagelände ist an diesem Wochenende ein Markt aufgebaut worden mit bunten Ständen, die regionale Produkte anbieten, Käse, Salami, Honig, Pesto Genuese und natürlich Wein. Wir schlemmen uns durch die Verkostungsangebote und genießen ein letztes Mal hausgemachte Misti Pesce – frittierte Fisch- und Gemüsestücke, typisch italienisch. Auch der lokale Segelclub und die Seenotretter sind mit einem Infostand vertreten. Das ist hier keine Veranstaltung für Touris, sondern für die Einheimischen mit Kasperletheater für die Kleinen und Musik zum Schwofen für die Großen. Wegen des Markttages haben auch die Yachtzubehörshops rund um die Marina geöffnet. Der Skipper ist mal wieder auf Filtersuche. Columbias Motor fällt gelegentlich aus, besonders wenn die Wellen den Tank gut durchgeschüttelt haben, setzen sich die Filter zu und der Motor geht aus. Kam in den letzten Jahren immer mal vor, doch in der aktuellen Saison zu häufig. Der Skipper hat den Motor zwar immer wieder ans Laufen gekriegt, doch entspannt reisen geht anders. Mit einem Ohr lauscht du auf die kleinste Geräuschveränderung, Wellengang, wenn auch nur durch schnelle Motorboote verursacht, und dein Kopfkino spielt dir schon die nächste Filterwechselsituation vor. Columbia braucht dringend ne Tankreinigung, einige Versuche in den größeren Marinas waren gescheitert – keine freien Termine. Die nächste Gelegenheit haben wir in Imperia ausbaldowert, bei einer kleinen Firma in Familienhand und guter Benotung für Kompetenz und Freundlichkeit erhalten wir einen Termin, der leider kurz darauf storniert wird. Ein hölzernes Segelboot zieht Wasser, ein Noteinsatz, natürlich haben wir Verständnis. Die nächsten freien Termine rücken dadurch auf unbestimmte Zeit nach hinten, leichte Ratlosigkeit macht sich breit. Jetzt die Wende – unser Freund Anders findet auf der Homepage der klitzekleinen Werft in Andora einen Hinweis. Sie reinigen auch Tanks. Montagmorgen – das Stromkabel ist schon ab – kurze Frage an die Jungs des Werftteams – Columbias Liegeplatz ist zufälligerweise direkt dran – ja, können wir – wann – sofort? Sie schicken uns zum Chef von Nautica Polense – ja – seine Mitarbeiter können heute mittag anfangen – dauert etwa 4 Stunden und kostet 250€. Wir können unser Glück kaum fassen.

Um 11 Uhr wird Columbia gedreht – mit dem Heck zum Kai – weil schweres Gerät an Bord kommt. Dann gehts auch schon los. Unsere 300l Diesel werden durch eine Doppelfilteranlage ausgepumpt. Dass mal eine 200l- Fass im Cockpit steht, haben wir uns nicht vorstellen können. Dann tritt der „Meister“ an und macht sich an die Arbeit, er schraubt die komplette Tankabdeckung ab, ein bisschen Sägearbeit und schließlich haben wir freie Sicht auf den Innenraum. Nicht so übel, aber die Verkrustungen am Boden und dunkle Schlieren im Dieselbodensatz lassen die eindeutige Diagnose zu: Dieselpest.

Der kleine drahtige Italiener versteht sein Handwerk – in reiner Handarbeit mit Spachtel, viel Papier und Aceton gehts der Pest an den Kragen: der Tank sieht danach aus wie neu. Dann das Ganze rückwärts – alle Schrauben, gereinigte Anschlüsse wieder dran, mit 2. Filterdurchgang den Diesel wieder eingefüllt. Motortest – läuft – Jubel, Luftsprünge – fettes Trinkgeld für den Meister und 65€ teuer, weil es etwas länger gedauert hat. Wir sind so happy – gönnen uns mit Ewa und Anders ein letztes Mal italienische Genüsse in der Trattoria am Platz. Jetzt aber endgültig „Adio Italia“ Die nächsten Etappen werden sorgenfrei. Menton ist der erste Hafen in Frankreich.

Menton

Wie in den letzten hundert Marinas bereiten wir das Schiff auf das Festmachen an der Mooring vor und jetzt das: Anlegen mit Boje. Unisax hat einen kleinen Vorsprung und warnt uns vor. Irgendwo da unten in der Backskiste muss er doch sein – der Bojenhaken – noch ne Runde im Hafenbecken – da isser ja – man muss auf alles gefasst sein. Ab jetzt flanieren wir entlang die Cote d’Azur entlang, auf See ist noch nicht so viel los. Trotzdem buchen wir alle Marinas per Email oder Telefon vor. Die Eigner sind noch nicht unterwegs und es gibt nur wenige Transitplätze, Cannes sagt ab – hätten wir uns denken können – sind Filmfestspiele – da sind auch die Dinghiplätze belegt. Als Dinghi wird das Beiboot bezeichnet. In diesem Fall füllen die Dinghis der Superyachten die passenden Liegeplätze für Unisax und Columbia. Wir tragen’s mit Fassung, die Skipperin hat für den roten Teppich sowieso nix passendes zum Anziehen.

Golf Juan

Golf Juan ist dafür ein echter Geheimtipp, sehr netter Empfang mit kleinem Präsent, ist uns in den fünf Jahren nur einmal (in Nettuno) passiert. Gemütliche Marina – hübsche Stadt mit allem drum und dran.

Besichtigung einer alte Fabrik für Orangenmarmelade

Der folgende Küstenabschnitt ist für einen ganzen Urlaub gut. Wir stoppen in Cogolin, im Nachbarhafen Saint Tropez ist es uns zu teuer, 200€ ..pro Nacht. Wir nutzen einen Hafentag um die Tankreinigung noch zu optimieren – neue Dieselleitungen werden verlegt und der lädierte Keilriemen getauscht. Wir sind hier schließlich nicht im Urlaub.

Der erste weiße Spargel nach 3 Jahren Entzug – in Süditalien unbekannt!
Grünen Spargel gibt es dagegen fast ganzjährig, meist aus aller Herren Länder importiert

Nächster Halt: Le Lavandou – bei der Ansteuerung wird klar, hier waren wir schon mal. Der Ort ist ganz nett, doch das finden gefühlte tausend andere Menschen auch. Wir bleiben nur eine Nacht und segeln! Richtung Toulon. Mit Böen 7 lassen wir die Genua eingerollt und rauschen unter Vollzeug (Groß und Fock) zum Ziel. Ein heißer Ritt!! Auf Ewas und Anders Empfehlung machen wir in Saint Mandrier fest, das in der riesigen Rade de Toulon liegt. Diese Idylle haben wir hier nicht erwartet.

Das Dorf schmiegt sich rings ums Hafenbecken. Es gibt kleine Strände, die zum Baden einladen, auch die Skipperin schwimmt ein letztes Mal im Mittelmeer.

Der traumhafte Wanderweg entlang der Steilküste erinnert an Korsika. Mit dem Wasserbus, der alle halbe Stunde verkehrt, bist du ruckzuck in Toulon – der lange Markt im Stadtzentrum gefällt uns sehr, alle Sinne werden angesprochen, es duftet und das Mundwasser läuft zusammen.

Die gepflegten grünen Promenaden, die Fussgängerzone mit allen gängigen Shops erinnern uns an Sevilla. Hier kann man es gut aushalten. Voll wird’s wahrscheinlich, wenn die Kreuzfahrer anlegen. Wir bleiben eine Woche in Saint Mandrier und machen irgendwie Urlaub. Wind und Welle locken uns noch nicht auf Meer zurück, zumal wir mit unserer Planung für die Fahrt auf den Kanälen so einiges umorganisieren müssen. Ewa und Anders haben es eiliger nach Port Saint Louis und auf die Kanäle zu kommen, da sie Anfang Juli eine Pause für einen Heimaturlaub einplanen, der Flieger in Lyon wartet nicht. Mit Tränchen und Schnaps (manchmal hilft nur Alkohol) trennen sich hier nach drei Jahren gemeinsamer Törns erst einmal unsere Wege. Wir planen uns in Lyon wiederzutreffen und auf den Kanälen wieder als Flottille zu tuckern. Dann machen wir Party!!

Alter Hafen in Marseille

Wir nehmen uns noch eine Auszeit der besonderen Art: mit Glück ergattern wir für drei Tage einen Liegeplatz in Marseille, mittendrin im alten Hafen. Na klar, das Glück hat so seine Tücken, Columbia liegt direkt an der Hauptstraße nur durch einen Wassergraben getrennt, die Partymeile 200m entfernt. Ca. 10 mal am Tag und mehrmals in der Nacht heizt die Polizei mit Martinshorn und Blaulicht vorbei, danach der Notarzt, dann einige Rettungswagen und oft auch noch die Feuerwehr, die verbleibende „geräuscharme Zeit“ füllen akustisch locker diverse Discos.

Französisches Frühstück

Doch das haben wir so gewollt, vom Schiff runter direkt in die City – in die Altstadt, zum Flanieren zum Staunen, Großstadt live mit allen Facetten.

Der letzte Törn im Mittelmeer führt uns nach Port Saint Louis. Die Windvorhersage sieht gut aus, wir freuen uns, blauer Himmel kaum Welle und dann das: blauer Himmel ja, Wind auf die Augen, konfuse Welle schleudert Columbia hin und her, eher zum Abgewöhnen. Zum Glück hat Rasmus Mitleid und schenkt uns zwei Stunden Genua-Segeln.

Die letzten Meilen geht’s im Slalom zwischen den dicken Frachtern durch, die meisten liegen auf Reede, hinein in die Zufahrt zur Marina. Mit Heckboje – wir sind vorbereitet – liegen wir nun am Kai, in Sichtweite die Rhone-Schleuse Nr. 1.

Rhone-Schleuse Nr. 1
Port Saint Louis

Von nun an mutiert Columbia zum Motorboot. Die Segel sind schon runter und verstaut. Motorcheck ist erledigt.

Nächste Woche wechseln wir zur Marina Port Napoleon, dann kommt der Mast runter und Columbia für zwei Wochen an Land, ein Wasserliegeplatz ist nicht zu kriegen. Mietauto holen und nach Deutschland fahren und unseren lieben Enkel abholen. Wir freuen uns auf die Lieben daheim!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.