Lockdown, die Zweite

So ganz überraschend kommt der Lockdown nicht, wenn man die täglichen Hiobsbotschaften bezüglich der nachgewiesenen Infektionszahlen verfolgt hat. Alle zwischenzeitliche Hoffnung auf Normalisierung ist dahin und der Lockdown da. Für uns bedeutet das u.a. Reisebeschränkungen ganz allgemein, eine Ausgangssperre ab 22.00 Uhr und Maskenpflicht auch im Hafen.

Seit letztem Freitag müssen u.a. auch alle Bars, Bistro’s, Restaurants und Gelaterias pp schließen, außer Haus Verkauf bleibt erlaubt. Im Nachhinein betrachtet, hatten wir ganz viel Glück mit unserer Deutschlandreise, die hätten wir nicht passender hätten planen können. Im Vergleich zu Ostia, wo wir den ersten Total-Lockdown erleben mussten, sind hier die äußeren Bedingungen sehr viel angenehmer. Die Marina-Verwaltung hält uns per Email über die aktuellsten Gesetzestexte, Erlasse und Verordnungen bzgl. der Coronakrise auf dem Laufenden.

Die selbstorganisierten Sport- und Freizeitaktivitäten der internationalen Segler-Community hier im Hafen sind deutlich eingeschränkt. Doch wir können in die Stadt schlendern und einkaufen. Schade ist, dass der gemeinsame Barbecue-Termin am Sonntag mit der Segler-Community nicht wie bisher fortgeführt werden kann. Wir sind dort gerne hingegangen, denn man kommt sofort mit anderen ins Gespräch. Jeder bringt für sich Fisch oder Fleisch zum Grillen mit und spendet eine Schüssel mit Salat oder Beilagen für das Buffet, von dem sich jeder bedienen kann.

Die englische Küche ist ja hinreichend bekannt und jedem Gourmet ein Begriff, aber auch auf der gegenüberliegenden Seite der Weltkugel wird doch so das eine oder andere zusammengerührt, was die europäischen Geschmacksnerven so noch nicht genossen haben, also Abenteuer pur. Zur Zeit halten wir Abstand, aber so trifft man sich eben auf dem Steg auf’n Schnack oder tauscht Erfahrungen über diverses Zubehör, Renovierungsvorhaben, Reviererfahrungen und so weiter aus. Als sich der Lockdown abzeichnete sind viele Segler noch schnell abgereist. An unserem Steg sind nun noch ca. 8 Boote bewohnt. Unsere Corana-Einschränkungen sind jedoch nichts im Vergleich zu den Sorgen der „Nicht-EU“ Segler. Grundsätzlich dürfen sich Bürger der EU-Länder 180 Tage in einem anderen EU-Land aufhalten, ohne sich anmelden zu müssen. Danach muss man ausreisen und kann dann erneut einreisen. Für EU Bürger ist dies eine rein theoretische Zeitgrenze, die nicht kontrolliert werden kann. Gleichwohl haben wir Kontoauszüge und Kreditkartenabrechnungen von unserer Deutschlandreise für eventuelle Nachfragen aufgehoben. Für „Nicht-EU“ Bürger wie Neuseeländer, Australier und bald auch für die Briten, gelten in Bezug auf Aufenthaltsdauer und Visafragen völlig andere Regeln, In der Vergangenheit haben sie sind dann kurz vor Ablauf ihrer Frist Europa verlassen und sind nach Tunesien oder Marokko gesegelt.  Bei ihrer Rückkehr konnten sie durch einen Stempel im Reisepass belegen, dass sie z.B. Italien verlassen haben, bei erneuter Einreise begann dann die 90 Tage Frist von vorn. Dann kam Corona mit Hafenschließungen und Reiseverboten. Wenn sie nun nach Afrika segeln würden, um nach ihrer Rückkehr erneut eine z.B. 90 Tage Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, ist sicher, dass sie in z.B. Tunesien erstmal in Quarantäne gehen müssten und zwar nicht an Bord ihrer Yacht, sondern in einer Unterkunft an Land (Hotel…) natürlich auf eigene Kosten. Dieselbe Regelung erwartet sie bei ihrer Rückkehr. Daneben droht noch weit schlimmeres Ungemach. Wenn die Aufenthaltsfrist Frist überschritten wird, verliert man automatisch seinen Touristenstatus und wird zum Migranten, d.h. man hat den Status eines Einwanderers mit einem Rattenschwanz an neuen Regelungen und Bestimmungen. In einigen Ländern (z.B. in Schweden) bedeutet das z.B. die verpflichtende Teilnahme an Integrations- und Sprachkursen pp. Die größte Sorge der Betroffenen ist jedoch die Frage nach der Steuerpflicht für das Motor- oder Segelboot. Dieses ist nun vom Migranten in den Gemeinschaftsraum eingeführt, jedoch in Europa nicht versteuert worden. Im Raum steht also die Frage, ob nun die italienische Mehrwertsteuer auf den Zeitwert des Bootes zu entrichten ist!!! Man könnte argumentieren, dass man ja nichts für die Fristüberschreitung kann, wegen dem Lockdown. Jedoch hat Jura nicht unbedingt etwas mit normalem Menschenverstand zu tun und wie bekannt, ist man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand. Verständlich das einige Segler dicke Schweißperlen auf der Stirn haben. Inzwischen müssen alle Yachten, die einen Hafen in Sizilien ansteuern, vorab per  Email diverse Formulare einreichen, bevor sie überhaupt anlegen können. Bei Schlechtwetter mit bösem Wind und ohne Internetverbindung ist das echt sch..recklich. Gut, dass wir diese Sorgen nicht haben. Abseits dieser Unannehmlichkeiten geht bei uns der geruhsame Bordalltag bei traumhaften äußeren Bedingungen weiter. Tagsüber scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel bei 23°C. Wir haben das neue Cockpit-Zelt montiert, das wir schon den ganzen Sommer mit uns herumgefahren haben, es passt wie angegossen. Das Alte ist durch starke UV-Strahlung mehr und mehr zerbröselt. Den ultimativen Festigkeits-Test hat „Badcat“, so heißt die Katze des Nachbarbootes, gemacht. Der Tiger stromert insbesondere nachts umher und springt von Boot zu Boot.

Bei einem mutigen Sprung aufs Cockpitzelt ist sie fast durchgesaust. Jetzt ist das neu überdachte „Oberdeck“ wieder der Lieblingsplatz der Skipperin. Die Katze hat sich noch nicht wieder an Bord getraut.

Die anderen Wartungsarbeiten werden Stück für Stück erledigt. Das Motoröl ist gewechselt und die Segel abgenommen, die der Segelmacher zur Aufarbeitung und Reinigung abgeholt hat. Wie in einer Wohnung an Land stehen auch Reinigungs- und Lackieraufgaben auf unserer Liste – aber schön eins nach dem anderen. Mittlerweile kennen wir uns in Licata auch schon ganz gut aus, immer wieder geraten uns interessante Fotomotive vor die Linse. Ganz besonders interessant findet der Skipper das erst kürzlich entdeckte „Ape-Hospital“.

Die Schrauber dort sind Weltklasse. Selbst so ein unverwüstliches Arbeitstier wie die Ape braucht ab und an mal Pflege, denn die kleinen Dreiräder werden hart rangenommen.

Kaum eine vorbeifahrende Ape, die nicht gnadenlos überladen ist. Das Wartezimmer / d.h. die Wartestraße ist immer voll, so dass bei starkem Andrang ganz selbstverständlich der Platz und der Gehweg vor der Werkstatt mit in Anspruch genommen werden. Man glaubt nicht, was dort so alles vorfährt oder angeschleppt wird, wenn man es nicht selbst gesehen hätte. Keine Ape ist wie die andere, jeder stattet sie nach seinen Wünschen aus und fügt so manches Anbauteil, das mehr oder weniger kunstvoll angeschweißt wurde hinzu. In den einschlägigen Foren des Internets existieren Fotos die zeigen, was bei einer Ape mit schlappen 3 PS so möglich ist. Denn es gibt einen riesigen Markt für allerlei Sonderauf- und Umbauten bis hin zum Wohnmobil.

Da sie nur ein Versicherungskennzeichen benötigt, nervt auch kein TÜV. Mit Fragen einer eventuell erlöschenden Betriebserlaubnis wie in Deutschland hält sich in Italien sowieso keiner auf. Natürlich kann man eine Ape aufbocken, um am Unterboden zu arbeiten oder auf eine Hebebühne fahren. Schneller geht es und einfacher ist es sowieso, wenn man die Ape einfach umkippt. Der Skipper plant sich demnächst dort mit Campingstuhl und Picknickkorb gemütlich mit Blick auf die Schrauberhöhle niederzulassen, kurzweiliger kann ein Tag nicht herumgehen. 

7 Comments

  1. Sinja

    Mit ner Ape von Sizilien nach Deutschland hat glaube ich auch noch keiner versucht! Aber bis es soweit ist, solltet ihr euch unbedingt mal so ein „Geschoss“ ausleihen und die Insel damit erkunden – wäre da nicht Corona. Irgendwann ist der Corona-Spuk hoffentlich bekämpft und ihr könnt endlich wieder alles erkunden, die Reise genießen – ohne die ganzen Einschränkungen. Bis dahin bleibt gesund, behaltet eure gute Laune und grüßt mir die anderen Segler! Noch eine angenehme warme Vorweihnachtszeit! Bis bald! Sinje

    1. sy-columbia

      Seit Sonntag ist Sizilien in der gelben Zone, das heißt, es gibt weniger Einschränkungen. Ob wir nur zum Spaß schon wieder herumfahren dürfen, ist nicht klar. Der Skipper hat ja schon mal in einer Ape Probe gesessen, da reizt es ihn natürlich, damit auch mal zu fahren, muss ja nicht gleich rauf auf den Ätna sein. Wir bleiben dran. Auch wir wünschen euch eine schöne Adventszeit. Und immer negativ bleiben!

  2. Renate &Andy

    Mit einem „es bleibt spannend“ haben wir in diesen 2020er-Monaten euren Blog verfolgt! Und ihr habt uns wieder ein Stück in die Welt mitgenommen – auf dem Meer und auch durchs Land. Eure Berichte und Fotos erfreuen uns sehr und erweitern und verschönern den Blickwinkel! Wir haben den Schwarzwald vor unserer Haustür im Frühjahr bei Spaziergängen besonders genossen und uns an dem Wachsen und Erblühen und neu entdeckten Wegen erfreut.
    Eure letzten Berichte vom Aufbruch in den Kurzurlaub in die alte Heimat und Rückkehr in die jetzige Heimat sind ja spannend wie ein Krimi zu lesen!!
    Und wirklich so eine „Punktlandung“ mit eurer Reiseplanung!! Genial!
    Bleibt weiterhin behütet und fröhlich unterwegs durch die Advents- und Weihnachtszeit auf Sizilien! Renate&Andy
    (eine nette „Weiterleitung“ zu eurem: Und immer negativ bleiben!

    „Seit Jahren sagen sie dir: Umgib dich mit positiven Menschen…!“ –
    Sag das mal jetzt…)

  3. Moin ihr beiden,
    haben gerade euren Blog zufällig gefunden und mal etwas geschmökert. Wir liegen zurzeit in Portimão. Aber erst mal ein frohes neues Jahr und vor allem ein tolles Segeljahr!
    Aktuell denkt ja jeder sehr genau über all die Regularien nach, unter denen wir uns in und außerhalb der EU bewegen. Da haben wir uns über eure Ausführungen zu der EU-Freizügigkeit schon etwas gewundert, denn die sind „etwas unscharf“ gelungen. Beim BMI ist die Freizügigkeit, die wir genießen und mit der wir uns als EU-Bürger in der EU bewegen gut erklärt. Einfach mal googeln.
    Und in ein „Steuerproblem“ kann JEDER EU-Bürger laufen, das trifft nicht nur Nicht-EU-Bürger. Das wird in jedem EU-Staat unterschiedlich gehandhabt. In Spanien heißt das Ganze Anmeldesteuer, aber auch in Portugal gibt es so etwas. Eigentlich wird es immer dann kritisch, wenn man sich als EU-Bürger mit seinem Schiff länger als 180 Tage am Stück in einem Land aufhält. Knabbert man an dieser Grenze, lohnt es sich die Regularien sehr genau anzusehen.

    Nichts für ungut, wir wollen nicht besserwisserisch sein, aber wie gesagt, aktuell erlebt die genaue Interpretation solcher Regularien ja gewissermaßen eine Hochkonjunktur. Deswegen ist es auch gut, diese genau zu kennen.
    Liebe Grüße
    Martin & Astrid

    1. sy-columbia

      Hallo ihr 2,
      wir freuen uns über jeden neuen Leser und hoffen ihr habt Spaß beim Stöbern und findet die eine oder andere brauchbare Info.
      Meine Bemerkungen bezüglich der gesetzlichen maximalen legalen Aufenthaltsdauer und einer eventuell entstehenden Steuerpflicht war absichtlich „unscharf“ gehalten. Diejenigen die es betrifft wissen ohnehin Bescheid. Die wenigen Zeilen waren als Antwort auf Anfragen gedacht, in denen wir gefragt wurden, ob ein erneuter Lockdown für uns irgendwelche Nachteile oder Konsequenzen zu Folge hat. Daraus sollte deutlich werden, dass man als Segler manchmal mehr Entscheidungen zu treffen und zu überdenken hat, als die Auswahl des richtigen Sonnenschutzmittels. Wir hoffen, ihr könnt die Algarve trotz aller Corona-Widrigkeiten genießen und wünschen euch ein gutes neues Jahr und jederzeit fair winds.

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