Die nächsten Tage verbringen wir in traumhaften Ankerbuchten, das Wetter ist ruhig und wir genießen das Ankerleben. Da der Wind Pause macht, bleiben wir lieber in der Bucht liegen und schonen den Motor.
Die Mitte an Sardiniens Küste lockt jedoch mit wunderschönen Felsformationen mit klitzekleinen Sandbuchten, die nur mit dem Boot zu erreichen sind. Mal nebenbei angemerkt, das ist kein Geheimnis und so starten in den kleinen Häfen beachtliche Ausflugsbootsflotten mit tollen Sightseeing-Angeboten. Uns machen sie das Wasser wellig und zeitweilig schaukelt Columbia am Anker wie auf hoher See. Nun tut sich ein Wetterfenster für uns auf – endlich mal eine Etappe segeln! Die Ursache liegt wieder im Löwengolf, der starken Mistral schickt. Wir sind südlich von der Hauptströmung und rechnen uns für Sonntag tolle Segelbedingungen aus, doch mit jedem Wetter-Update nimmt der vorhergesagte Wind zu – der Schwell soll dann auch unsere ruhige Ankerbucht aufwiegeln.
Als die Vorhersage 36 Knoten in Böen (Beaufort 8) ankündigt, legen wir am Samstagnachmittag kurzfristig ab. Bei wenig Welle und moderatem Wind sind wir abends in Arbatax – so der Plan. Bis um fünf ist Motoren angesagt, dann soll der Wind auf West kentern und wir können mit Vollzeug Richtung Süden segeln. Das Groß ist schon oben – die Entscheidung Genua oder Fock ist dran. Die Windanzeige bleibt jedoch nicht bei 16 Knoten, sondern geht in rasanter Geschwindigkeit bis 29 Knoten hoch. Gleichzeitig nimmt die Welle zu – 1-2m heben und senken Columbia in schneller Folge, einige gehen übers gesamte Schiff, wir ducken uns hinter unserer Sprayhood. Der Himmel ist grau, Böengrenzen sind nicht erkennbar. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Ein Gewitter aus dem Nichts heraus haben wir nicht für möglich gehalten. Kurzfristig verlieren wir das Gefühl für Raum und Zeit und sind mit beiden Händen an der Pinne dabei, den Kurs zu halten. Wenn der Wind so bleibt, ist es ein ordentlicher K(r)ampf bis nach Arbatax und in 3 Stunden wird’s dunkel. Wir müssen näher an die Küste, da kommt der Westwind her und wir werden dort weniger Welle haben. Unsere Freunde von der Unisax verfolgen den gleichen Plan, also arbeiten wir uns jetzt hoch am Wind Richtung Steilküste. Auf der Suche nach Alternativen macht Ewa den kleinen Hafen Cala Gonone aus, wir setzen den Kurs entsprechend und erreichen mit der Dämmerung unser Ziel. Haben sie Liegeplätze für uns – diese Frage stellen wir vorher erst gar nicht. Oh Wunder, wir dürfen bleiben!
Normalerweise ist der Hafen „sauteuer“ und ausgebucht. Wir haben einfach Glück! Gerade als sich bei uns der Relaxmodus wieder einstellt, gibt die Windvorhersage erneut Alarm. Morgens um 11 Uhr zeigt der Windmesser 42 Knoten!! Unser Erlebnis auf hoher See war wohl nur das Vorspiel für Mistral-Starkwind der besonders kräftigen Art. Die Marineros werden plötzlich aktiv und überprüfen die Befestigung jedes Bootes und jede Mooring. Die Windvorhersage geht hoch auf 50 Knoten. Da ein Ausflugsboot einen Motorschaden hat, wird plötzlich unser Liegeplatz benötigt und wir werden aufgefordert uns zu verlegen. Mittlerweile ist der Hafen jedoch rappelvoll, viele haben sich hierher geflüchtet. Um uns erneut festzumachen, bleibt nur ein großes Fischerboot oder die Tankstelle im Hafen. Das gefällt uns gar nicht und so laufen wir kurzentschlossen aus.
Im Nachhinein betrachtet, das Beste, was wir machen konnten. Wir finden Schutz hinter der Steilküste und werfen den Anker 50m vor dem Ufer auf Sandgrund und hauen alles an Kette raus, was wir haben. Der Wind ist so laut, dass wir uns nicht mehr unterhalten können – aber wir liegen sicher. Die Böen gehen über uns hinweg, erreichen maximal die Mastspitze aber nicht unser Schiff. Hinter uns seewärts kocht die See. Im Hafen werden 60 Knoten = orkanartiger Sturm gemessen. Unsere Freunde sind die ganze Nacht auf und haben mit allen Leinen und dicken Zusatzfendern, die sie sich von einem Ausflugsschiff geliehen haben ihr Boot gesichert, zusätzlich lauft der Motor um den Druck auf den Vorleinen zu mindern. Trotzdem entstehen Schäden, da die Boote teilweise zu dicht liegen und gegeneinander scheuern, da sie selbst im Hafen starke Schlagseite haben. Eine große Hanse-Yacht wird auf die Kaimauer gedrückt und verliert Teile des Ruders. Unisax ist ohne große Blessuren davongekommen, die Crew ist aber total übernächtigt und folgt uns am nächsten Morgen nach, sobald auch sie den Hafen verlassen können. Wir machen uns erneut auf den Weg, schön langsam dicht an der Steilküste entlang und werden mit spektakulären Ansichten und tausend Variationen in Blau belohnt.
Welch ein Kontrast zu den vergangenen 48 Stunden!
Respekt, Respekt……
Da wurde einem nur vom lesen mulmig !
Aber dann wieder Belohnung und traumhafte Bilder !
Gruesse aus der Heimat,
Monika
Hänsel und Gretel: die Hexe hört, dass jemand von ihrem Knusperhäuschen nascht und fragt: Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen? Hänsel und Gretel antworten: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!“
Der Wind, der euch so durchgeschüttelt hat war anscheinend aber kein „himmlisches Kind“, sondern die böse „Mistral-Hexe!“. Gott sei dank wurde sie besiegt, denn auch ein schlechtes Wetter irgendwann zu Ende und man hat wieder Blick auf das traumhaft schöne Meer! Grüße aus der Ferne