Keine Handbreit Wasser unter den Kielen

Wal heißt ein Arm des Rheins in den Niederlanden, den müssen wir queren. Wir recherchieren sorgfältig, welche Stelle am besten geeignet ist, denn wir haben keine Lust mit unseren schlappen 33 PS auf heftigen Gegenstrom. Von der schnuckeligen Marina in Heusden fahren wir durch ländliche Idylle pur auf der Afgedammten Maas und treffen bei Gorinchem auf den Wal, träge fließt er dahin, also alles halb so wild, nur wenige Berufsschiffe sind unterwegs. Weiter geht die Etappe auf dem Merwedekanal und südlich von Utrecht über den Lek, der nächste Rheinarm, hier grüßt die Nordsee mit der Tide – eine der Schleusen, die wir nutzen wollen, ist nur 2 Stunden vor und nach Hochwasser in Betrieb, wissen wir nach einem Anruf beim Schleusendienst.

Bei der Gelegenheit müssen wir den Mitarbeitern der Brücken und Schleusen ein dickes Kompliment machen, sie sind einfach gut drauf: auf die Anfrage per Funk, ob wir in die Schleuse einlaufen können, hören wir: „dann werde ich die Tore mal für euch aufmachen“. So erfahren wir auch, dass die malerische Altstadtdurchfahrt durch Utrecht für unsere beiden Schiffe nicht in Frage kommt.

Rekord: mit 17 Booten in einer Schleuse

Die berühmten 5 Bogenbrücken sind zu niedrig und und eine Klappbrücke auf der Route ist zurzeit außer Betrieb. So müssen wir ein paar Meilen auf dem Amsterdam-Rijnkanaal fahren, Autobahn der Großschiffahrt, viel Welle dazu noch viel Wind – durchhalten bis zum „Mauseloch“: die Zufahrt zur Veecht – die kleine Schleuse, 6m breit mit 3,65m niedriger Brücke drüber, steht eigentlich immer offen.  Ein Schild warnt vor starker Querströmung – also volle Kraft voraus-nix slow-motion. Hoffentlich schleudert uns jetzt nicht noch so ein dicker Pott hin und her. Die Skipperin steht vorn auf dem Bug, schaut, ob es Gegenverkehr gibt. Daumen hoch – alles frei, Columbia ploppt geradezu durch den Flaschenhals und muss gleich wieder nach links abbiegen- ne verdammt enge Kiste. Puhh geschafft!

Der Kontrast danach könnte größer nicht sein. Das gemütliche Flüsschen führt uns bis zum Isselmeer, Tiefgang 1,50m -1,60m. Der Jungmatrose drosselt die Geschwindigkeit und wie auf ner Kaffeefahrt gleiten wir nahezu über die Terrassen der Anlieger,  hübsche Häuschen stehen neben prachtvollen Anwesen.

Üppige Hortensien in gepflegten Park verwöhnen die Augen. Zwischen den Ortsdurchfahrten säumen Hausbootsiedlungen das Ufer, praktisch – an Privatstegen liegen kleine und große Motoryachten. Hier gehört Wassersport zum Alltag. Die Vecht wird uns bis zum Markermeer bringen, auch wir profitieren vom lokalen Wohlstand.

Der nächste Anleger stellt für seine Gäste Sanitäranlagen im Museum zur Verfügung – edel! Weesp heißt die letzte Marina auf dieser quasi Landpartie – nur wenige Kilometer von Amsterdam entfernt. Das Hafenmeister-Ehepaar ist außerordentlich hilfsbereit. Columbias Batterien für den Bugstrahler schwächeln seit einiger Zeit, so einige Male in der Warteposition vor der Klappbrücke musste der Skipper echt zaubern.

Da wir hier einen Hafentag einlegen, ist die Gelegenheit günstig, neue einzubauen. Wir fragen den Hafenmeister und schwuppdiwupp chauffiert er den Skipper im Motorboot zum Zubehörhändler. Zuvor hat Frau Hafenmeister dort angerufen und sich vergewissert, dass die Akkus auch vorrätig sind. Inzwischen muss die Vorschiffskoje komplett geräumt werden; da wir ja zurzeit mit Crew unterwegs sind, ist diese Lager für alles und proppenvoll. Kaum ist der Skipper zurück geht’s auch schon ans Aus-und Einbauen. Unser Jungmatrose erweist sich als große Hilfe, schlank und wendig arbeitet er mit dem Skipper Hand in Hand, löst die Schrauben, fummelt die Batterien raus und rein. Unser Freund Anders misst nochmal alles durch und ruckelt an diversen Kontakten, dann brummt er wieder – der Bugstrahler. Zum Dank besuchen wir abends den „Gottesdienst“?!?

Eine Kirche hat mangels Auslastung den Betrieb eingestellt, wurde umgewidmet und jetzt bietet dort im ehemaligen Kirchenschiff ein Brauhaus leckere Spezialitäten zum Verkosten an – eine außergewöhnliche Erfahrung! Am nächsten Morgen Kurs Nord: nach einigen Klapp- und Drehbrücken öffnet sich die letzte Schleuse und lässt uns Seeluft schnuppern. Leider ist der Genuss getrübt, die Schleusenkammer hatte wohl ein paar innere Werte und prompt nimmt Columbia nicht so richtig Fahrt auf. Am Steg der Marina Muiden müssen wir anlegen – der Jungmatrose taucht zur Erkundung ab – keine Schraube zu sehen – das Wasser ist trüb und kalt.

Der Skipper muss noch mal ran, der findet die Schraube inzwischen blind und ordert gleich das Messer – Schlingpflanzen sind sehr robust! Nun aber raus aufs Meer – das betonte Fahrwasser führt uns nach Osten ins Gooimeer. Segelboote kreuzen, Motorboote überholen uns, dicke Frachtschiffe rauschen vorbei. Schade, dass Columbia oben ohne ist. Wär schön, segeln zu können! Wir machen Stopp in Spakenburg. Eine tolle kleine Stadt mit einem historischen Zentrum incl. Museumshafen. Die Wettervorhersage gefällt uns nicht und wir bleiben 2 Tage. Am Samstag ist richtig Aktion –  Markttag: ein Genuss durch die Stände zu schlendern, Brathähnchenduft wabert durch die Luft und macht den Backfischbratereien Konkurrenz. Käse, Krempel, Karotten, ähm Klamotten und Co. sind im Angebot. Die Cafés sind voll, es wird geschwatzt und geschwoft – eine gemütliche Atmosphäre um das historische Hafenbecken herum.

Spakenburg mit Museumshafen

Fette Plattbodenschiffe liegen dicht an dicht nahe der alten Werft mit Museumscharakter, Boote mit Schnuppersegelgästen manövrieren auf engstem Raum. Wir können uns gar nicht satt sehen.

Am Montag wollen wir ablegen – doch die ursprüngliche Routenplanung ist nicht ideal: „hintenrum“ nach Lemmer und dann über die Staande Mastroute bis Groningen, weiter über Delfzijl in die Ems und zum Dortmund-Ems-Kanal in 14 Tagen +. Da muss es doch noch ne andere Möglichkeit geben? Über Meppel (nicht Meppen) wirft Ewa in den Raum. Wir prüfen Papierkarten und sämtliche Navi-Apps und machen einen Anruf: Wie tief ist der Haren-Rütenbrock-Kanal? -1,50m – muss reichen, haben wir im Champagne-Bourgogne-Kanal auch geschafft.

Also neuer Kurs: bei Zwartsluis biegen wir ab in die Hoogeveensche Vaart. Wir passieren kleine Dörfer und Städte mit typisch holländischen Häuschen, dazwischen plattes Ackerland und Weiden mit Kühen drauf! Die Strecke ist gespickt mit Dreh-, Klapp- und Hebebrücken, doch mit unseren persönlichen Brückenwärtern, die uns mit Fiets oder Brumfiets (eigentlich Summfiets: Roller mit e-Antrieb) begleiten, klappt das reibungslos.

Ab und zu ein Dicker – dann wird es eng!

Die Mittagspause wird angekündigt und so müssen auch wir anlegen und können in Ruhe etwas essen. Besonders gut gefällt uns der Veenpark, ein Freilichtmuseum zum Thema Torfabbau, kleine versteckte Anleger laden zum Bleiben ein.

Was hält uns davon ab? Schietwetter – wir haben’s mit der Regenjacke probiert und sind dann auf unsere Schwerwetter-Ausrüstung umgestiegen, die wir zuletzt auf der Biscaya anhatten. Schauerböen – sonst gute Sicht, der Norden hat uns wieder – wir feiern 6 Jahre unterwegs! Nur noch ein kleines Stück und wir sind wieder in Deutschland. Das kleine Stück heißt Haren-Rütenbrock-Kanal und stellt die kürzeste Verbindung zwischen den deutschen und niederländischen Kanälen her, ca. 15 km, 4 Schleusen und 12 Brücken für 5 €(Vergnügungssteuer?!?) Spaß hat der Skipper gleich bei der Einfahrt: aus der Veenfahrtschleuse raus – gleich scharf recht abbiegen, halt noch mal rückwärts – da kommt uns doch wahrhaftig ein Boot entgegen. Und dann sind wir drin, der Kanal ist ganz nett im Grünen, bei Sonne malerisch, die Brücken öffnen bei Annäherung automatisch, die Schleusen auch. Wassertiefe erstmal OK, vor der nächsten Schleuse rumpelt es zum ersten Mal – danach öfter.

Noch 7km bis zur Ems das Lot zeigt 1,1Om: keine !Handbreit Wasser unter den Kielen.

Upps, es rumpelt wieder. Einkaufswagen, Tresore und Fahrräder werden gern in die Kanäle geworfen, meint der Skipper. Uns ist etwas mulmig. Die Geschwindigkeit geht zurück, Columbia spurt wohl zwei Loipen in den Schlamm oder ist wieder Grünzeug in der Schraube? Gut, dass Unisax hinter uns ist, die könnte uns zur Not abschleppen. Doch alles geht gut, wir laufen in die letzte Schleuse ein, zahlen 5 € und sind happy. Noch geschwind um die Huk, dann machen wir im Yachtpark Haren fest. Kuchenbude drauf, Anlegeschluck. Ne heiße Dusche – jaa bitte! Wir sind zurück!!

Am Sonntag mustert unser Jungmatrose ab, die Ferien gehen zu Ende und vorher will er im eigenen Bett mal richtig ausschlafen! Mach’s gut, war ne super Zeit mit dir!

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