Auf deutschen Kanälen

Dortmund-Ems-Kanal heißt unsere nächste Strecke, klingt nicht so charmant wie z.B. Canal de Champagne…Wie erwarten eine schnöde Wasserautobahn und sind angenehm überrascht. Doch zuerst müssen wir warten, die Königsdisziplin des Binnenschiffers. Da die deutschen Wasserstraßen und ihre Schleusen vor vielen Jahrzehnten gebaut worden sind, ist immer mal was kaputt oder muss repariert werden. Die Schleuse Altenrheine ist wegen Reparaturarbeiten gesperrt und wir dürfen eine Woche Zwangspause in Haren genießen. Kommt uns gut aus, denn die Tiefdruckgebiete bremsen den Sommer aus. Wir müssen feststellen, dass wir in den letzten 6 Jahren zusammen nicht mehr so viel Regen erlebt haben wie zur Zeit.

Macht nix, denn eine Dürrephase wie im letzten Jahr hätte uns auf der Route nach Travemünde erheblich mehr Kopfzerbrechen bereitet. Wasser ist jedenfalls genug da. Der DEK (Dortmund-Ems-Kanal) führt quer durch unsere alte Heimat, so nah waren wir mit Columbia noch nie an Nottuln.

Wir sind überrascht wie grün die Kanalufer sind, man glaubt durch Wald zu fahren, die Industrieanlagen dazwischen stören kaum und machen den eigentlichen Zweck des Wasserweges deutlich: Warentransport XXL, unglaublich wie riesig einige Binnenschiffe sind – manches hat soviel wie 100! LKW geladen.

Entsprechend sind die Dimensionen der Schleusen, am ersten Fahrtag brauchen wir gut eine Stunde pro Schleuse, denn Berufsschifffahrt geht immer vor. Die Sportboote werden dazugepackt, da musst du mal sehen, wie du klar kommst. Die 3. Schleuse des Tages ist etwas kürzer als die anderen. Unisax mit dem liegenden Mast passt nun nicht mehr rein und muss an den Wartesteiger zurück.

Feuerwehrübung an der Liegestelle Bramsche

Sie holt uns später ein, denn wir zockeln mit den anderen 4 Sportbooten hinter dem Binnenschiff hinterher wie Küken hinter der Entenmutter. Überholen bringt nix, denn an der nächsten Schleuse fährt „der Dicke“ zuerst rein. Am toten Arm bei Lingen bleiben wir über Nacht, gleich 3 Motorboot Clubs belegen das Ufer, es herrscht familiäre Atmosphäre.

Motorbootclub Lingen

Inzwischen ist die defekte Schleuse in Altenrheine repariert, an der „Liegestelle für Kleinfahrzeuge“ daneben bleiben wir 2 Tage, weil es schüttet. Als nächstes biegen wir ab in den „legendären „Mittellandkanal. Von Langeweile keine Spur, grüne Ufer, viel Natur, große Schiffe wenige Schleusen, es gibt viel zu gucken.

Liegestellen für Sportboote sind selten, die Yachtclubs sind rar und liegen fern ab, Stadtbesichtigungen/Einkaufsmöglichkeiten unmöglich – schade, das haben wir in Frankreich, Belgien und Niederlande anders erlebt. Dennoch müssen 234 km abgefahren werden. Der MLK führt quer durch Hannover, wir passieren die Ladekais von VW und anderen große Firmen, danach wird es grün, ausgedehnte Kleingartenanlagen und Grüngürtel ziehen an uns vorbei, kaum zu glauben, dass wir mitten in der Stadt sind.

Im Yachthafen Hannover haben wir uns für eine Woche eingebucht, klein und eng, gut dass wir reserviert haben. Wir mieten ein Auto und fahren zur Familie, sind ja nur 200 km entfernt. Was für ein Kontrast auf der Straße zu fahren, proppenvoll, Unfälle on Top ein LKW-Brand, der Umweg über Land, so schön die Gegenden auch sind, zieht sich. Wir sind froh wieder auf Columbia zu sein. Ausnahmsweise liege der Hafen sehr günstig in der Stadt. Mit dem Bus machen wir noch einen Abstecher in die Altstadt, essen lecker und bestaunen das alte Pressegebäude. Bei schönstem Sonnenschein legen wir ab. Ewa und Anders sind inzwischen vorgefahren. Dann die Meldung „Schiffshebewerk Scharnbeck bei Lüneburg voll gesperrt“, das stellt die Planung der nächsten Etappen wieder in Frage. Ihr wundert euch, wie kommen wir an solche Infos? Die Homepage www.elwis.de ist die online-Seite des WSV (Wasser-und Schifffahrtsverwaltung des Bundes), hier schauen wir täglich rein um auf dem Laufenden zu sein. Das Schiffs Hebewerk ist auf dem Elbe-Seiten-Kanal, das heißt noch ca. 180 km zu fahren. Zum Glück kommt die Entwarnung am nächsten Tag, der West-Trog ist wieder gängig – erleichtertes Aufatmen.

Nach einer Übernachtung im Salzgitter Stichkanal (moderner Yachthafen in idyllischer Lage ohne Flair außer bei Nacht) biegen wir ab in den Elbe-Seiten-Kanal und sind erstmal geschockt, der Abschnitt ist wohl vor wenigen Jahren neu ausgebaut worden – wir fahren durch kahle Prärie. Birken und vereinzelte lila Erika-Büschchen zeigen, dass wir uns am Rand der Lüneburger Heide befinden.

Elbe-Seiten-Kanal

Die erste mögliche Liegestelle lassen wir vorbeiziehen – zu einsam. Der nächste Platz ist etwas besser, hier kommen wenigstens Fahrrad-Touris und Fußgänger vorbei. Wir beanspruchen die 30m für Kleinfahrzeuge und die 330m für die Berufsschifffahrt zunächst für uns allein. Da es wieder zu regnen beginnt, verkriechen wir uns nach innen und kriegen nicht mit wie ein ganz Dicker mit 5m Abstand vor uns fest macht. mmmh!! Die neuen Binnenschiffe sind so leise, dass selbst die Skipperin mit ihren empfindlichen Ohren nix mitkriegt. Noch ein Wort zu Telefon und Internet, an keinem Ort in Südeuropa, den wir in den Jahren besucht haben, war der Empfang so miserabel wie hier in Deutschland an den Kanälen! Du könntest nicht mal einen Notruf absetzen?! Sehr bedenklich! Highlight am nächsten Tag ist die Schleuse Uelzen, auch hier ist eine von zwei Kammern außer Betrieb, die wird neu gebaut.

Wir warten, bis wir mit dem nächsten Dicken reinfahren dürfen. Der Schieber „schiebt“ zwei Schuten voll beladen mit Schrott -130m lang- langsam in die Schleuse rein. Zusammen fahren wir „zu Tal“ – 23m nach unten, beeindruckend. Komfortabel können wir an einem Poller festmachen, der auf einer Schiene mitfährt.

Der Dicke brodelt ganz ordentlich beim Rausfahren. Der Skipper lässt ihm etwas Vorsprung, denn überholen können wir ihn auf freier Strecke sowieso nicht. Nachmittags erreichen wir Uelzen, hier gibt es einen kleinen Yachtclub, für Schiffe mit 1,30m und mehr Tiefgang ist es knapp, wir schauen rein und fahren weiter bis zum Ausweichanleger im Becken des WSV, nur ein anderes Boot ist dort. Wir liegen sehr ruhig – die Nähe zu einem griechischen Restaurant ist überzeugend, heute bleibt unsere Küche kalt.

Über Nacht schleicht sich ein Regengebiet an, von Starkregen über jegliche Arten von Land -und Nieselregen ist alles dabei. Nicht schön, also warten wir bis zum Nachmittag, tuckern dann noch 14 km in Richtung Schiffshebewerk. Das wollen wir am nächsten Tag nämlich bei Sonnenschein ?!? erleben. Die Liegestelle in Bad Beversen ist ausnahmsweise nahe am Zentrum mit verschiedenen Supermärkten, das nutzen wir gern um noch mal Frischware zu bunkern. Tatsächlich bleibt es auf der Route nach Lüneburg trocken, große Freude am Wartesteiger des Schiffshebewerkes – Unisax liegt dort.

Die schwedisch-deutsche Flotille ist wieder komplett. Nach einer Stunde dürfen wir rein. Das Schiffshebewerk Scharnbeck ist 1975 gebaut worden und war damals in Europa einzigartig. In zwei riesigen Trögen (einer ist zurzeit in Reparatur) werden die Schiffe samt Ladung 38m hoch bzw. runter befördert, gigantisch!

Schiffshebewerk Lüneburg-Scharnebeck

Unisax und Columbia dürfen zusammen zu Tal fahren – welches Privileg. Staunend genießen wir das technische Wunderwerk. Unten warten schon zahlreiche Berufsschiffe auf die „Bergfahrt“ bis sie an der Reihe sind.

Elbe voraus

In 10 km mündet der ESK in die Elbe, wir fahren ein paar Kilometer gegenan und machen in Lauenburg fest. Ein netter kleiner Motorboothafen, ohne Reservierung wär es hier knapp geworden. Lauenburg hat eine sehenswerte Altstadt mit für diese Region typischen Ziegelfassaden.

Auf Infotafel erfährt man etwas über die zum Teil turbulente Geschichte der Häuser: die Namen der Eigentümer und ihre Berufe, welche Geschäfte dort betrieben worden. Die Elbe als Transport- und Handelsweg hat  den Ort jahrhundertelang bis zum heutigen Tag geprägt. Wir stimmen uns ein auf den letzten Kanal unserer Reise: der 60 km lange Elbe-Lübeck-Kanal. Ist er tief genug für Columbia? Im Dürrejahr 2022 wären wir wohl steckengeblieben. Der erste Tag beginnt mit dickem Nebel, zum Glück brezelt ihn die Sonne schnell weg und die Gewitterschwüle wird von angenehmen Temperaturen abgelöst. Die erste Schleuse (von 7) ist schon in Sicht, Anruf bei der Schleuse und schon machen wir wieder fest: 2 Stunden sollen wir warten? Worauf?  Wasserressourcen soll gespart werden, daher werden nur Bootsgruppen geschleust. Nach einer halben Stunde stösst Boot Nr. 3 zu uns. Vorsichtige Nachfrage beim Schleusenmeister: Na, dann will ich euch mal reinlassen, wartet auf grünes Licht! Geht doch! Die Distanz zur nächsten Schleuse lassen wir langsam angehen, es gilt die Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h. Laut Kanalführer wird wohl streng auf die Einhaltung geachtet – also schalten wir den Genießergang ein und lassen die Natur auf uns wirken. Der ELK kann durchaus mit den französischen Kanälen mithalten: Natur pur. Grüne Ufer, satte Wiesen, ab und an kleine Wasser-Oasen mit Campingplätzen – Fahrradwege unter Alleen – richtig schön, nach dem öden ESK sind wir versöhnt und sind froh, hier mit unserer Columbia entlang zu schippern.

Obwohl das Revier so nah an unserem alten Heimathafen in Travemünde ist, konnten wir damals hier nicht herfahren, ist mit Mast nicht möglich. Die nächste Schleuse empfängt uns gleich mit grünem Signallicht und so kommen wir am Nachmittag recht entspannt in Mölln an. Der Wassersportverein hat am Ziegelsee einen idyllischen Hafen angelegt, könnte auch in Schweden sein.

Elbe-Lübeck-Kanal

Die Besichtigung von Mölln lassen wir aus, stattdessen gibt es einen letzten Sundowner mit unseren Freunden Ewa und Anders. Mit Wehmut stellen wir fest, dass unsere wundervolle gemeinsame Segelzeit bald zu Ende sein wird. Noch 5 Schleusen! Anruf bei der Donnerschleuse: fahrt mal schön langsam, da kommt ein Binnenschiff, das hat Vorfahrt. So isses: 25 km und 5 Schleusen: Der „Hecht“ voraus und 4 kleine Entenküken hinterher – in jeder Schleuse das gleiche Procedere und dazwischen Schleichfahrt. Da bleibt viel Zeit zum Nachdenken – spontane Erinnerungen aus den vergangenen 6 Jahren kommen hoch. Weißt du noch damals, als wir abgelegt haben? Was haben wir inzwischen für tolle Sachen erlebt. Lübeck kommt in Sicht – die beiden Türme des Lübecker Doms begrüßen uns – die Kanaltrave führt außen um die Stadt herum, Yachthäfen, Bootsverleiher, Ruderclubs Parkanlagen mit altem Baumbestand werden für allerlei Freizeitaktivitäten gern genutzt. Hinter Lübecks Altstadt wird die Trave breit, Eventgastronomie hat die alten Kaianlagen erobert.

Wir passieren Fabrikgelände mit riesigen Hallen (in einer ist unser Wohnmobil im Sommerschlaf) große Frachtschiffe werden be- und entladen. Wir folgen dem nächsten Abzweig der Trave zur Teerhofinsel. Ewa und Anders haben dort eine Winterliegeplatz für Unisax, wir verabschieden sie vorerst, denn sie werden hier ihr Schiff winterfest machen und in einer Woche mit dem Zug nach Hause zu fahren. Bis Travemünde sind es noch 2 Stunden durch gut bekanntes Terrain zu fahren, Segler nutzen die leichte Brise, Motorboote tummeln sich an unserem Lieblingsankerplatz – schööön! Travemündes Silhouette kommt in Sicht – mit dem Fernglas sehen wir schon unseren Liegeplatz! Die dicken blauen Festmacher liegen bereit.

Travemünde in Sicht

Der Skipper parkt ein – Leinen fest. Wir sind wieder zuhause! Die Emotionen fahren Achterbahn, erleichtert heil angekommen zu sein und aufgewühlt von den vielen Erlebnissen der vergangenen Monate wird es eine Weile dauern, bis wir das verarbeitet haben! Auf Resümee und Perspektive dürft ihr liebe Leserschaft noch etwas warten.

2 Comments

  1. Monika

    Uff…..
    Was für eine Reise, welche Eindrücke, welch sportliche Leistung
    und welch schöne und tolle Beschreibungen von Land, Leuten und Begebenheiten.
    Danke dafür und gutes Einleben !
    Monika

    1. sy-columbia

      Liebe Monika, danke für deine „Reisebegleitung“ all die Jahre. Wir freuen uns, wenn es dir gefallen hat. Wir selbst können es noch gar nicht glauben, dass diese Reise zu Ende sein soll.
      Hier in der Werft organisieren wir gerade ein paar Pflegearbeiten am Boot, denn so richtig kaputt ist erstaunlicherweise nichts. Wir werden im nächsten Jahr wieder in die Berichterstattung jedoch mit geringerer Taktung einsteigen, Dänemark, Schweden und und und – wir sind noch immer neugierig und wissen bislang ja lediglich, was südlich des Horizonts ist.

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