Kanalratten

eine neue „Gattung“ Wasserfahrer, die neben Seebären und  Cap Horniers etwas verkannte Gruppe, die binnen auf Flüssen und Kanälen unterwegs ist. (Die Profi-Binnenschiffer mögen uns die saloppe Bezeichnung nachsehen, wir haben großen Respekt vor ihrer Arbeit!) Wir gehören jetzt dazu. (Alle, die sich nicht auf dem Wasser bewegen, werden als Landlubber bezeichnet, nur mal so am Rande.)

Übernachtung im Port de Plaisance de Seurre – voraus die nächste Schleuse

Von Macon aus fahren wir mit zwei Übernachtungen die Saòne 135 km rauf bis Saint Jean de Losne, hier treffen wir Ewa und Anders mit Unisax wieder. Sie waren vorausgefahren um Unisax an Land zu stellen um dessen Bauch neu zu pinseln. Nun liegen unsere Schiffe pomadig am öffentlichen Stadtkai, direkt vor der Restaurantmeile, noch gibt es Platz satt, Tourimassen sind noch nicht unterwegs.

Saint Jean de Losne hat eine große Werft und an diesem Wochenende findet dort eine Bootsausstellung von überregionaler Bedeutung statt.

Alte Peniche, das klassische Binnenschiff in Frankreich, manche noch im 100jährigen Dornröschenschlaf, andere schon vom Prinzen wachgeküsst und mit viel Liebe, mehr oder weniger handwerklichem Geschick aber immer mit viel Zeit und Geld restauriert, stehen zur Besichtigung und teilweise zum Verkauf. Wir sind beeindruckt – wohnen auf dem Wasser – eine neue Perspektive für später? Die Firma Piper baut die auch in Neu ( Alurumpf !)- mit Vollausstattung, das Eigenheim auf dem Wasser, schick aber ohne Flair.

Nachdem im letzten Sommer nicht mehr genug Wasser in den Kanälen war, greift man jetzt zu unkonventionellen Sparmassnahmen.

Noch eine kurze Strecke die Petite Saone hinauf – dann beginnt die Kanalfahrt. Zusammen mit unseren Freunden sichten wir die Revierführer für unsere Fahrt zur Ostsee und planen die nächsten Etappen. Für das Befahren muss man französischen Wasserverband VNF im Internet eine Lizenz kaufen, gibt es für unterschiedliche Zeiträume, wir kaufen erst einmal ein Monatsticket für 156,57€. Die erste Strecke legen wir auf der Petite Saone zurück und biegen ein in den ‚„Canal entre Champagne et Bourgogne“ vormals Canal de Marne la Saone, der alte Name wird seiner Funktion eher gerecht, denn es werden die Flüsse Saone und Marne verbunden. Er ist für den Tourismus umbenannt worden, um ihn attraktiver zu machen. Für uns heißt das, 224 km, 114 Schleusen, 2 Tunnel, 10 Kanalbrücken und 17 bewegliche Brücken. Am ersten Tag schaffen wir 15 Schleusen und 34 Kilometer und sind völlig platt. Das ist richtig Arbeit, die Schleusentore öffnen und schließen sich zwar automatisch (in der ersten Schleuse bekommt man dafür eine Fernbedienung). Alles andere ist Bein- und Handarbeit. 

Man ist auf sich allein gestellt, durch die Automatisierung wurde das Schleusenpersonal abgeschafft, die vielen kleinen Schleusenhäuschen stehen leer.

Der Automat in der ersten Schleuse, der die Fernbedienung (FB) ausspuckt, vorher werden die Tore nicht geöffnet. Deine Daten werden telefonisch erfasst. Zuerst drückt man auf der FB auf der Anfahrt kurz vor der Schleuse den Knopf, ich will -wie in unserem Fall- „rauf schleusen“, dann wartet man auf das gelbe Blinklicht – das bedeutet Anfrage ist angekommen, nun folgt Warten – erst rot-grün: Schleuse wird vorbereitet, Wasser rauscht, die Tore öffnen sich, dann grünes Licht – reinfahren – ’ne enge Nummer.

Dann das Schiff bis zur Leiter fahren, Skipperin klettert auf der glitschigen Leiter wie ein Eichhörnchen hoch mit einem Festmacher unterm Arm oder zwischen den Zähnen, Seil um den Poller rum und das Ende zum Skipper nach unten geben. Skipper wirft den 2. Festmacher nach oben, die Skipperin fängt auf, Seil um den hinteren Poller, das Ende zurück zum Skipper. Leiter wieder runter klettern, möglichst nicht ins Wasser fallen und zurück aufs Boot balancieren. Fertig – Knopf drücken – Schleuse fluten, Leinen mitführen, Schiff schwimmt hoch. Warten – grünes Licht oder Piep-Signal. Tore öffnen sich – Leinen los und raus fahren.

Das ist der Normalfall! Manchmal ist keine Leiter da! Da muss man mit dem langen Bootshaken die Leinen auf die Poller fummeln. Wo ist eigentlich unser Schleusenmeister Hannes? Der wird jetzt dringend gebraucht. Wichtigste Arbeit des Skippers – das Boot manövrieren und im strudelnden Wasser nicht andengeln. Die Schleusenkammer ist 38,5 m lang und 5m breit. Wir fahren mit beiden Booten rein, so können wir uns irgendwie helfen, müssen aber aufpassen, dass wir nicht auffahren. Bei zwei Schleusen öffneten sich die Tore nicht – da stehst du erstmal in der Sonne und fluchst, dann Notfallnummer anrufen, die VNF-Mitarbeiter vom Notfalldienst kommen umgehend angefahren und öffnen die Tore manuell.

Zwischen den Schleusen fahren wir durch paradiesische Natur, Wälder, Wiesen, Felder, klitzekleine Ortschaften säumen die Ufer. Die Vögel trällern um die Wette. Die Frösche sind auch hellwach und geben alles. Über uns kreisen Greifvögel auch Adler, Störche, Reiher. Ab und zu und nach unserem Empfinden viel zu selten gibt es Anlegestellen, meist ohne jeden Service, Abenteuerfahrt vom Feinsten.

2 Comments

  1. Sinja

    Gerade das letzte Foto ist sehr beeindruckend. Dieses Gewässer gleicht doch fast einem Rinnsal, wenn man die bisherigen Meere und Flüsse damit vergleicht. Dass ihr da noch durchpasst. Und was ist mit Gegenverkehr- außer Ruderbooten oder Schwänen? Es sieht auf jeden Fall malerisch schön aus! Und wenn schon die Geier kreisen – haltet durch: der Schleusenmeister bereitet sich schon auf seinen Einsatz vor!! Bis dahin könnt Ihr euch hoffentlich mit Nudeln über Wasser halten!! Grüße an den deutsch-schwedischen Schubverband!

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