Ein ganz normaler Segeltag!?

Um 13.00 Uhr passend zur Tide legen wir in Cherbourg ab um die nächste Etappe in Angriff zu nehmen – vielleicht bis Brest oder weiter? Der Kühlschrank und die Bilge sind mit Vorräten gefüllt, wir sind ausgeschlafen. Der letzte Wetterbericht von Wetterwelt klingt vielversprechend. Wir stecken den Kurs nördlich der Kanalinseln und werden an Alderney vorbei bis ans VTG heranfahren um dann zur Il d’Quessant abzufallen (VTG = Verkehrstrennungsgebiet – da wo die dicken Pötte lang müssen).
Der Strom setzt passend hinter dem Cap de la Hague ein. Wir fahren Vollzeug mit Motorunterstützung, da der Wind etwas zu weit vorlich kommt.( = fast direkt von vorn auf die Augen), aber da wir ja bald abfallen, ist das so in Ordnung. Wir sehen zu, dass die Segel mitziehen und kommen daher Alderney recht nah. Das Seegebiet um diese Insel ist berüchtigt und gespickt mit Wracks. Das Meer ist in 1 sm Abstand mit 55 m recht tief und trifft dann auf schnell ansteigenden Felsengrund. Also gibt es dort starke Ströme, Eddys (=Wirbel) und Races (Stromschnellen). Mit anderen Worten – es brodelt und sprudelt, dass man Angst bekommt – Columbia jagt mit 9,1 kn durchs Wasser und schiebt uns sicher durch die Wassermassen. Die Wellen kommen scheinbar von allen Seiten gleichzeitig – das Heck wird 2m nach oben gehoben, gleichzeitig der Bug zur Seite gedrückt – mit Karacho gehts ins nächste Wellentag. Dann beginnt das ganze vorn vorn – es dauert über eine Stunde bis sich das Wasser beruhigt. Der Adrenalinspiegel ist oben – gut gemacht Columbia. Jetzt können wir den Motor abstellen, unter Vollzeug steuert nun unser Pilot.
Gegen 20 Uhr können wir endlich etwas kochen und essen. Es beginnt zu dämmern und entgegen den Vorhersagen nimmt er zu, gleichzeitig steigen auch die Wellen höher. Columbia schneidet souverän durch Wasser. Die Skipperin kann für eine Stunde in die Koje. (Nur so zu Info: Wie ist es denn so in der Koje? So wie in einer Waschmaschinentrommel: die Geräuschkulisse ist enorm, die Wellen knallen gegen die Bordwand, das Rigg ächst und rumpelt. Immer wieder prasselt eine Welle über das gesamte Schiff.)
Als die Schräglage zunimmt und der Pilot immer öfter nachgestellt werden muss, setzen wir das Großsegel ins erste Reff – schon ist alles gut – wir machen ordentlich Strecke – Auf See herrscht jetzt bei wolkenverhangenem Himmel völlige Dunkelheit, die sich der normale Landbewohner nicht vorstellen kann, keinerlei Fremdlicht. Der Skipper überlässt die Wache der Skipperin und versucht nun ebenfalls etwas zu schlafen. Das Abendessen ist diesmal leider nicht mit seinem Magen kompatibel und so erscheint er schnell wieder an Deck und ist ab jetzt kaum noch einsatzfähig. Es ist immer noch saudunkel, so dass andere Schiffe nur schemenhaft und über das AIS am Plotter ausgemacht werden können. Plötzlich sind sie also da – drei Fischer – ihre Kurse sind kaum vorhersehbar, da sie mittels Fishfinder den Fischschwärmen folgen und gegenüber einem Segelboot „Vorfahrt“ haben- sie schleppen eben ihr Netze – und so ist der Adrenalinspiegel schon wieder oben. Wir setzen das Groß ins zweite Reff – haben wir im Dunkeln auch noch nicht gemacht. Columbia wird etwas ruhiger. Zum Glück sieht man die Wellenberge nicht, die unter dem Schiff durchrauschen.
Wie weit noch – wann wird’s endlich hell – noch 75 sm, in drei Stunden ist Dämmerung. Der Skipper ist voll daneben – kurzentschlossen ändern wir unseren Kurs in Richtung Roscoff – 25 sm to go. Der andere Windwinkel lässt Columbia etwas ruhiger segeln. Wir sind froh als die Dämmerung einsetzt – das Leuchtfeuer von Ole de Batz ist Wegweiser. Im Hellen wirken die Wellen noch beeindruckender. Zu allem Übel zieht jetzt auch noch Regen auf – kann die Skipperin gar nicht leiden. Wir zwingen uns ins Ölzeug. Dann bergen wir das Groß – in voller Fahrt, aber da ja schon 2 Reffs eingebunden sind, klappt das gut. Noch 8 sm bis zum Hafen – nur unter Fock laufen wir immer noch mit 6 kn. Die Sicht ist bescheiden – dank Plotter landen wir sicher im Hafen. Der Skipper mobilisiert die letzten Reserven und macht den Anleger. Wir sind erleichtert und völlig ausgepowert. Aber auch ein neuer Rekord: 160 sm in 22 Stunden!

2 Comments

  1. Sinja

    Ich ziehe meinen Hut! Respekt vor der Leistung! Da war der Skipper aber stark unternudelt – also immer eine Portion bereithalten – zur Not in der Kaffeetasse.
    Mir selbst reichen schon die Wellen im Nudeltopf!

  2. Henrik

    160 sm in 22 Stunden??? Dafür haben wir in Kroatien drei Wochen benötigt, wenn mich nicht alles täuscht! Zur Belohnung gab es dann aber „gemischte Fleisch von Rost“. Vielleicht ist das besser als die ewigen Teigwaren. Also schnell ans Ufer und ein paar Ćevapčićis inhalieren, dann läuft’s wieder rund. Haltet durch, weiter so!

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