Die Straße von Messina

Das Wetterfenster ist da, die Straße von Messina wartet auf uns. Wochenlang drückte ein mehr oder weniger starker Nordwind die Luftmassen durch die engste Stelle zwischen Festlanditalien und Sizilien, verstärkt durch die Strömungen. In der Straße von Messina trifft man auf  Bedingungen wie im Ärmelkanal. Wir brauchen also absolut seltenen Südwind oder wenigstens keinen Wind für die Durchfahrt, diese Tage kann man übers Jahr gesehen an einer Hand abzählen. Letztlich werden wir die Meerenge in einer kleiner Flottille passieren. Die Segelyacht Eira hat sich uns spontan angeschlossen und gemeinsam gehen wir das Abenteuer an.

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Zuerst segeln wir nach Taormina, von der Landseite hat uns dieser geschichtsträchtige Ort bei unserem Roadtrip im Mai schon sehr gut gefallen. Von hoch oben haben wir die Ankerbuchten mit  blaugrünem Wasser gesehen, doch von dort sieht man keinen Schwell oder Strömungen. Auf Meeresniveau muss der Segler viele andere Bedingungen im Blick haben. Bei der Planung haben wir uns die Bucht von Taormina als Ankerstopp ausgesucht. Einige Wetterportale sagen aber auch Schwell aus West, der in die Bucht steht, voraus. Das müssen wir dann halt aushalten. Also erst mal los – die Anfahrt gestaltet sich ganz schön rollig, beim Näherkommen beschleichen uns Zweifel, ob wir dort ruhig liegen werden.

Doch wir entspannen uns, als wir in die Abdeckung des Caps kommen, in Ufernähe ist Ententeich. Dazu gibt es auch noch ein Bojenfeld vom www.yachthotel.it, nach kurzer Recherche im Internet melden wir uns an und ruckzuck hat der Marinero die Leinen an der Boje befestigt. Laut Homepage soll der Spaß 60€ kosten, doch da das Bojenfeld fast leer ist, bekommen wir Rabatt und zahlen nur 45€. Unisax findet einen ruhigen Ankerplatz in Sichtweite.

Die Abendstimmung mit dem Song „Lights of Taormina“ von Mark Knopfler ist magisch. Wegen der Strömungsprognosen müssen wir auch nicht vorm Wachwerden ablegen, sondern entspannt nach einem Morgenbad und gepflegtem Frühstück. Eva und Frank wollen nach der Passage gen Westen Richtung Vulcano und den anderen Liparischen Inseln abbiegen. Wir wünschen den beiden alles Gute, es war sehr schön mit euch. Überraschend meldet sich Frank später dann doch noch einmal, da er großes Angerglück auf dem Weg nach Vulcano hat und erneut einen großen Thunfisch gefangen hat. Beim Einholen hat es allerdings noch mal spannende Minuten gegeben, sie mussten den Fang gegen einen kleinen weißen Hai verteidigen, dem der Appetit ebenfalls nach Thun stand. Letztlich ist es ihnen mit vereinten Kräften gelungen den Thun als Ganzes an Bord zu ziehen. Merke: Thun schmeckt köstlich, das wissen auch Haie. Wir kämpfen derweil nicht gegen Haie sondern gegen die Correnti als stärkste Gegner unserer kleinen Columbia, alle 6 Stunden kentert der Strom, der durch die Tide in Gibraltar verursacht wird. Verstärkt wird das Ganze durch eine „Stufe“ in der Meeresoberfläche, das Ionische Meer im Süden liegt tiefer als das Tyrrhenische Meer im Norden Siziliens. Schließlich kommt noch eine dritte Komponente hinzu, der Salzgehalt des Meereswasser, der auf beiden Seiten des Nadelöhrs verschieden stark ist. Die Strömung kann man anhand von Strömungskarten und -tabellen wie zum Beispiel www.correntidellostretto.it ziemlich genau vorbestimmen, es ist also wichtig zur richtigen Zeit im „Kanal“ am richtigen Ort zu sein.

Die Berufsschifffahrt und die lokalen Fischer kennen natürlich alle Feinheiten, für uns ist es ein neues Abenteuer. Die Unwägbarkeiten wie: wo sind die in der Karte markierten Strudel, wo kentert der Strom, können wir mit Columbia dagegenhalten oder wie stark wird das Schiff beschleunigt, lassen wir auf uns zukommen. Den intensiven Fährverkehr – alle 20 Minuten queren von beiden Seiten Schiffe mit bis zu 20 kn – muss man gut beobachten.

Viel Platz haben wir nicht, denn in der Mitte der Meerenge verläuft ein Verkehrstrennungsgebiet, quasi eine Autobahn zur See mit eigenen Regeln. Für uns bleibt nur die Küstenverkehrszone, diese muss von Kleinfahrzeugen, Seglern und Motorschiffen unter 20m Länge benutzt werden. Die Zone liegt zwischen der Küstenlinie (Strand) und dem seewärts befindlichen Verkehrstrennungsgebiet, an einigen Stellen kann es schon mal eng werden. Die Idee, per Funk Absprachen mit den Schnellfähren zu treffen, verwerfen wir nach der ersten Sichtung. Bis du die Funke in der Hand hast, ist die Fähre schon vorbeigerauscht, wobei sich der Skipper nicht sicher ist, ob es sich bei den Katamaranfähren noch um Schiffe oder schon um Flugzeuge handelt. Ein Hoch auf das aktive AIS – da siehst du, wann und wo die nächste kommt, schnell noch vorbei kannst du mit Minimum 1,9 kn Geschwindigkeit vergessen.

Da hält der Skipper die Pinne mit beiden Händen, um nicht in den Sog zu geraten und gewährt souverän „Vorfahrt“. Wir stehen mit unseren Partnerschiffen in Funkkontakt. Wobei in diesem Fall die Crew der Eira, als führendem Schiff, wichtige Informationen weitergibt.

Letztlich haben wir die Passage ohne Blessuren gemeistert, die Durchfahrt ist aber nicht ohne, brodelndes Wasser, riesige Wirbelfelder, plötzlich einsetzender Strom, der das Schiff seitlich versetzt oder abbremst, haben uns beeindruckt aber nicht beängstigt. (Die Fotos geben die Wirklichkeit leider nicht wieder.) Kurz vor der Ausfahrt werden wir dann noch Zeugen eines ganz besonderen Spektakels. Eine Gruppe Schwertfischfangboote fährt auf und ab, um Beute zu machen. Die Boote haben einen ca. 10 m hohen Mast, oben ein Korb in dem 1-3 Männer stehen und Ausschau nach dem Schwertfisch halten.

Vorn am Bug ist ein 10m oder längerer Ausleger (wie eine Leiter) auf dem der Mann mit der Harpune (ganz analog – eine Stange mit Pike) steht und auf seinen Einsatz wartet. Die Schwertfischfänger sind völlig auf ihre Arbeit konzentriert und jagen nur dem Fisch nach, wenn oben einer ruft und die Richtung anzeigt, gibt der Schiffsführer Gas, der Bugausleger schwenkt in affenartiger Geschwindigkeit herum, dass einem schon beim Zugucken ganz schwindelig wird. Bizarr! Zum Glück mussten wir nicht mitansehen, wie die Harpune trifft.

Ausfahrt aus der Meerenge


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