Unsere Zeit in Lido di Ostia ist zu Ende, es ist Frühling und deutlich wärmer geworden. Der Überwinterungsvertrag läuft Ende April aus. Doch beständige und leichte südliche Winde locken uns schon eine Woche vorher aus dem Hafen und bringen uns unseren ersten Zielen wie Elba, Cinque Terre und Pisa näher.
Ihr fragt euch sicherlich, wo wir hin wollen, da wir nach Norden ablegen. Den ganzen Winter über haben wir Pläne gemacht, dann wieder verworfen. Nun ist die Entscheidung gefallen, wir gehen zurück in die Ostsee. Türkei, Kroatien oder Griechenland, so reizvoll die Segelreviere dieser Länder mit ihren Inseln und wunderschönen Ankerbuchten auch sind, haben wir diese nach unseren Erfahrungen auf Sizilien und Süditalien aus unserer Liste gestrichen, der Skipper droht Gefahr „heiß zu laufen“. Die Temperaturen waren dort im Sommer unerträglich, so dass wir nicht noch weiter in den Süden wollen. Ewa und Anders zieht es zurück nach Schweden und da schließen wir uns gerne an. Die Reise soll binnen über die Kanäle und Flüsse in Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschland gehen. Für uns ein neues, interessante Abenteuer. Wir haben Seekarten und Revierführer studiert und fest steht, das wird eine spannende Sache, die nur im Sommer von statten gehen kann, da man zunächst die Rhone flussaufwärts, d.h. gegen die Strömung fahren muss. Im Frühjahr ist es nach heftigen Regenfällen zusammen mit dem Schmelzwasser aus dem Schnee der Alpen fast unmöglich die Fahrt durchzuführen, da dann die Strömung zu stark ist. Im Sommer sollte es gehen. In Belgien ist irgendwo die Wasserscheide, ab dort fließen alle Flüsse Richtung Nordsee und wir können ab dort mit dem Strom fahren.
Mosel und Rhein werden wir wegen des dichten Verkehrs der Berufsschifffahrt meiden. Anders und Ewa haben auf ihrer Hinfahrt ins Mittelmeer jede Menge Erfahrungen gesammelt, eine Teiletappe verlief über den Rhein, dabei hatten sie so manchen Aha-Effekt. Wir werden es daher ruhiger angehen lassen. Maximaler Tiefgang für die kleinen Kanäle ist 1,60m und die maximale Höhe wegen unzähliger Brückendurchfahrten knapp über 3 m. Im Mündungsgebiet der Rhone bereiten wir die Schiffe vor: die Masten müssen gelegt und der Geräteträger demontiert werden. Dann haben wir einen Tiefgang von 1,30m und eine Höhe von 2,25m, der Tiefgang der Unisax ist noch geringer, da das Schiff einen Schwenkkiel hat, Unisax braucht mit aufgeholtem Kiel nur etwa einen Meter Wassertiefe. Wir werden unseren Mast mit den beiden Bäumen durch eine Spedition nach Norden transportieren lassen, sonst müssten wir vorher ein stabiles Holztragegerüst für den sicheren Masttransport an Deck bauen. Für die Crew der Unisax ist das Mastlegen und -stellen eine jährlich wiederkehrende Arbeit, die in deren heimischen Vereinshafen zur Herbst- oder Frühjahrsroutine gehört. Unisax hat ein solches, genau angepasstes Holzgerüst an Bord, das vor Ort nur zusammengesetzt werden muss. Columbias Mast ist in der Vergangenheit von der Mannschaft in unserer Heimatwerft gezogen und fachgerecht gelagert worden und im Frühjahr wieder gestellt worden. Wir haben da nie selbst Hand angelegt (keine Zeit) und waren mit dem Werftservice sehr zufrieden. Spannend ist nochmal die Suche nach einem Winterlager im Ostseeraum geworden, da wegen Corona der Bootsmarkt boomt und viele neue Schiffe untergebracht werden wollen, kann man es nicht drauf ankommen lassen. Verwundert mussten wir feststellen, dass unser alter Heimathafen in Travemünde voll belegt ist und wir nur einen Platz auf der Warteliste haben können. Wir sind jedoch bei einen Werftbetrieb in Lübeck fündig geworden, der auch alle Arbeiten rund ums Boot anbietet, jedoch keine eigene Marina betreibt. Columbia und Unisax werden also nach Terminabsprache dort am Kai anlegen und mit dem Kran an Land gestellt. Columbia wird in der Halle überwintern. Im nächsten Jahr planen wir mit beiden Schiffen nach Göteborg zu segeln, den Götakanal bis Stockholm zu fahren und Unisax nach Hause zu bringen. Soweit der Plan. Anders und Ewa sind diese Tour in umgekehrter Richtung ja schon einmal gefahren und sie haben dabei über 360 Schleusen gezählt. Das bedeutet viel Leinenarbeit; wir freuen uns daher sehr und sind glücklich, dass unser Enkel uns auf der Reise oder auf einem Teilabschnitt begleiten will. Er schließt in diesem Sommer die Schule ab und hat 2 Monate Zeit, bis die weitere Ausbildung beginnt. Irgendwo unterwegs wird er zusteigen, das wird ein Spaß! Aber der Reihe nach: Seit unseren Ausflügen ist noch so einiges passiert. Eine der beiden Servicebatterien mit 165 Ampere ist im Motorraum in einer Knallgasexplosion hochgegangen. Sonntagnachmittag: Wir sind beide an Bord und haben gerade im Cockpit ein kleines Nickerchen gemacht, als es laut knallt. Zuerst denken wir, Columbia ist gerammt worden. Rundumblick: nix zu sehen. Rigg gescannt: nix – alles wie es muss. Das Geräusch war eindeutig ein Schlag auf den Rumpf. Der Skipper öffnet den Motorraum und schon quillt Qualm heraus.
Wir sind geschockt, was da wie Qualm aufsteigt sind Schwefeldämpfe!! Eine Batterie ist mit Krawumm längs aufgeplatzt und etliche Liter Schwefelsäure schwappen in der Bilge. Was für eine Schweinerei und hochgradig ätzend, brennt Löcher in Haut und Hose. Unser Freund Anders wird alarmiert und hilft uns: Kabel abklemmen … 50 kg wiegt das Biest, das kann man nicht so einfach rausheben. Mit dem Akkuschrauber werden Löcher in die Batterie gebohrt, um weitere Säure rauszulassen und das Ding leichter zu machen. Schließlich gelingt es den Männern die Überreste in einem Plastiksack auf den Steg zu wuchten. Die Skipperin in Vollmontur schöpft und wäscht mit viel Frischwasser die Flüssigkeit raus. Columbia ist erst mal ohne Strom, das Bordnetz ist tot. Druckwasser, Heizung Beleuchtung funktionieren nicht. Wir retten uns mit dem Landstromkabel, schließen Lampen und Heizlüfter direkt an und kommen so über die Nacht. Gut, dass wir im Hafen sind. Unvorstellbar, wenn einem das auf hoher See passiert. Das brauchen wir nicht noch einmal. Am nächsten Morgen vermittelt uns Stefano vom Yachtzubehörhandel einen Elektro-Ingenieur, der Columbias elektrische Anlage begutachtet und doch tatsächlich die Ursache in einem defekten Polanschluss findet. Das Ladegerät hat sich – wie tausendmal zuvor – automatisch eingeschaltet und die Batterien geladen oder mit einer Erhaltungsladung bedacht, wenn deren Spannung abnimmt, dabei bildet sich immer eine kleine Menge Knallgas. Als sich dann der Kühlschrank einschaltet und Strom aus den Batterien entnommen wird, bildet sich an der defekten Polverschraubung ein Funke, der Rest ist Physik. Wir jedenfalls können bestätigen, dass eine Knallgasexplosion echt laut knallt und eine Riesensauerei macht. Der Skipper steht da leicht depressiv mit hängenden Ohren, ein Wartungsmangel? das ihm, der doch jede Schraube und Schweißnaht auf dem Schiff mit Vornamen kennt! Neue Batterien sind mittlerweile mit neuen Polklemmen eingebaut, alles scheint zu funktionieren. (Auf die Schnelle haben wir keine Lithiumbatterien organisiert bekommen, das wäre uns noch lieber gewesen.)
Was noch? Die Skipperin sitzt gerne im Cockpit und liest oder genießt einfach die Sonne. Dabei beobachtet sie am Heck des Schiffes regen Flugverkehr: eine italienische Spatzenbande fliegt sämtliche Boote an und sucht nach Futter. Aber heute verhalten sich die kleinen Raptoren anders als sonst, das ist eindeutig Balzverhalten. Die werden doch wohl nicht… Columbias Großbaum ist hinten offen?!? Der Blick mit der Taschenlampe hinein offenbart, da wird schon seit einiger Zeit fleißig am Nest gebaut. Zuerst mal verstopfen wir die Öffnung mit einem alten Lappen und warten ein paar Tage bis die Spatzen das Interesse verloren haben. Da wir sie bei der Brautwerbung gesehen haben, ist es hoffentlich noch nicht zur Eiablage gekommen.
Leider muss das Zweiglein für Zweiglein mühsam herangeflogene Material wieder aus dem Baum raus. Kaum zu glauben, welche Mengen die kleinen Flieger zusammengetragen haben. Als Bodensatz noch ne Lage Vogelsch…, ganz schön fummelig einen Baum von innen zu reinigen. Jetzt können die Umlenkrollen der Reffleinen wieder frei laufen. Weitere Arbeiten wie der Tausch von Tankgebern und eines Zweiwegeventils in der Toilettenanlage sowie die Reparatur der Heizung sind weniger spannend aber erfolgreich abgelaufen.
Zweiwegeventil Wallas Dieselheizung kopfüber Biodiesel ist Gift für die Einspritzdüse im Brennergehäuse
Bei der letzten große Aktion vor dem Ablegen kommen Taucher zum Einsatz, die putzen Columbias Bauch blank. Vor dem scharfen Strahl eines „Unterwasserkärchers“ ist kein „Riffbewohner“ sicher, alles fliegt weg.
Jetzt kann Columbia jede Regatta gewinnen!
Wir sind wieder unterwegs!
Machen wir dann nächstes Jahr Flottillensegeln durch die Ostsee?
Schöne Grüße und Mast und Schotbruch.
Und das Gästezimmer ist fertig:-)
Na, das wär doch was! Von Travemünde nach Göteborg und dann durch den Götakanal nach Stockholm, super Idee!!
Hola Columbia,
auf welcher Etappe – Ankerbucht kann man Euch – frisch gekärchert – besuchen?
Freue mich schon auf Euch!
Besos
Berte