Auf der Amalfitana zum Pfad der Götter

Zweimal sind wir in den vergangenen 2 Jahren an der Amalfi-Küste entlang gesegelt, haben in wundervollen Buchten geankert, die kleinen Dörfer, die an den Felsen lehnen, bestaunt und immer richtete sich der Blick des Skippers schmachtend nach oben, zum Objekt seiner Begierde: die Amalfitana –  diese Straße muss ich unbedingt einmal selbst fahren. Spätestens nach der Bustour von Amalfi zur Villa Rufolo manifestierte sich der Wunsch auf seiner Lebens-to-do-Liste. Damals war Hochsommer – Landausflüge waren schweißtreibende Aktivitäten – sich zu dem Zeitpunkt ein Auto zu leihen, war unmöglich. Nachdem sich der Skipper auf unserem Abruzzen-Trip schon mal warm gefahren hat, ploppt die Amalfitana quasi automatisch aus dem Speicher wieder hoch. Von Rom aus ist das Ziel etwas südlich von Neapel ja nicht weiter als von Münster nach Bremen.

Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Bedingungen sind ideal, angenehme Temperaturen, keine Touristen, die vielen Livecams im Internet zeigen eine freie Amalfitana und leere Plätze ohne den sommerlichen Dauertrubel. Da gibt es kein Halten mehr. Die Skipperin bucht routiniert wieder zwei B&B Unterkünfte für jeweils zwei Tage, so dass auch Zeit bleibt, das Hinterland zu erkunden.

Die vielen Verbindungsstraßen quer durch die Halbinsel von Sorrent zu befahren, ist mindestens genauso schön und herausfordernd. Die Statale 163 (SS 163) wie die Amalfitana so im drögen Behördenitalienisch heißt, ist eine der schönsten Küstenstraßen weltweit, wenn man so will, Italiens Route 66. Sie führt von Sorrent aus nach Positano weiter nach Amalfi und endet in Salerno, bietet unzählige Serpentinen und spektakuläre Ausblicke.

Für die gut 50 km braucht man i.d.R. 2 – 2,5 Stunden Fahrtzeit. Sie schlängelt sich von ca. 600m Höhe über dem Meeresspiegel bis runter zur Küste ohne Seitenstreifen oder Leitplanken, oft nur durch eine etwa kniehohe Mauer gesichert und an vielen Stellen nur 2,5 bis 3m breit, für Wohnmobile verboten. Fast alle Ortschaften sind mit Linienbussen zu erreichen, dass bedeutet, die fahren auf dieser Strecke und die 7,5 Tonner mit dringenden Lieferungen müssen auch hier entlang. Einige Kurven sind so eng, dass die großen Wagen nur durch Vor- und Zurückrangieren aneinander vorbeikommen.

Wer von der älteren Generation noch den Manta-Fahrstil pflegt – Seitenscheibe runter, lässig den Ellenbogen raus – muss sich gründlich umstellen. Ab und an passiert man Nothaltebuchten, in die man ausweichen kann, um den Gegenverkehr oder Drängler vorbei zu lassen oder um ganz einfach schöne Fotos zu machen. Die erste Unterkunft in Sorrento in der schön angelegten Villa Rosa (www.villarosasorrento.com, (man „Frau“ spricht englisch) ist ein idealer Ausgangspunkt für die eine oder andere Tour ins Umland oder um zu Fuß den Ort zu erkunden

Zum Abendessen machen wir uns auf den Weg in die Altstadt, zuerst sind wir überrascht, wie viele Leute so mitten in der Woche unterwegs sind dazu noch jede Menge verkleidete Kinder, Konfetti und Luftschlangen flattern herum. Oh je, haben wir es mal wieder mitten in den Karneval geschafft? Doch die meisten Menschen kommen uns entgegen, der „große“ Umzug ist vorbei, mit Kind und Kegel noch schnell ein Stück Pizza auf die Hand und dann ab nach Hause, der eine oder andere Minikarnevalist ist im Kinderwagen eingeschlafen, während die Erwachsenen sich noch einen Spritz gönnen. Von wegen nix los, hoffentlich finden wir noch Platz in einem Lokal. Und dann platzen wir mitten hinein ins „Letzte Abendmahl“ mit Maradona und Sophia Loren!!!! (Ristorante Zi Ntonio – von unserer Vermieterin wärmstens empfohlen) Wir dürfen uns zu ihnen an den Tisch setzen und sind erstmal sprachlos.

Dazu muss man wissen, dass der kürzlich verstorbene Fußballweltstar Diego Maradona hier in Neapel und Umgebung nicht nur als Held sondern als „Heiliger“ und „Gott“ verehrt wird. Sein Porträt hängt gerahmt in vielen Läden oder Pizzerien, angeblich war er in jeder einmal zu Gast. Das Bild eines Pizzabäckers zusammen mit Diego Maradona, erhebt den Gastwirt quasi in den Adelsstand und ist hier tausendmal mehr wert als jeder Michelinstern, goldener Kochlöffel oder wie die Auszeichnungen alle sonst so heißen. Diese Verehrung hat folgenden Hintergrund: Neapel gilt als die ärmste Großstadt Europas und der normale Neapolitaner hält sich dementsprechend zwar für arm aber genial und seine Liebe gilt dem Fußball. Leider krebste sein Fußballclub, der SSC Neapel 1984 in der 1. Liga auf einem der hinteren Ränge herum, war akut abstiegsbedroht und dazu chronisch pleite. In dieser Situation verpflichtete man den bei Barcelona spielenden 24 jährigen Diego Maradona, der dort total unglücklich war, weil er mit der spanischen Mentalität nicht klar kam. Wo das viele Geld für den Transfer herkam ist ungeklärt und läßt sich nur vermuten. Maradona jedenfalls schlug ein wie die sprichwörtliche Bombe und blühte auf, so dass nach einigen Spielen von Abstieg nicht mehr die Rede war. Im Jahr darauf wurde Neapel 3. in der Meisterschaft, danach italienischer Fußballmeister und der neapolitanische Fan wähnte sich im Himmel. Zwischendurch spielte Maradona noch in der Weltmeisterschaft und es kam zum Zwischenfall „mit der Hand Gottes“, als Gott selbst Hand spielte, damit Maradona den Ball köpfen und das entscheidende Tor erzielen konnte. Er wurde damit nicht nur ein Spiel später Weltmeister sondern in Neapel selbst zum „Gott“. Er gab den leidenden Neapel Fans, die in den Arenen des Nordens verlacht wurden, ihren Stolz zurück. Im Gegenzug vergaben sie ihrem Star alle Eskapaden und Missgeschicke. Auch sein ihm später aus den Fugen geratenes Leben wurde ihm hier verziehen. Neapel war Meister und nicht die Abonnementgewinner aus dem reichen Norden wie Rom, Turin oder Mailand. Der Neapolitaner ist ein fanatischer Fußballfan, was selbst Maradona verblüffte, denn er sagte dazu einmal, dass dem Neapolitaner sein eigenes Leben und das seiner Kinder völlig egal sei. Man lebt hier nur für den Sonntag, wenn Napoli spielt. Und nun sitzen wir, die wir mit Fußball so überhaupt nix am Hut haben, mit ihm und Sophia Loren am Tisch – übrigens es gibt Pizza Marghuerita.

Erholt und ausgeruht checkt der Skipper am nächsten Morgen unseren Puma (von Ford), dann ist er auch schon im Kurvenrausch. Gut zu wissen, dass er ein souveräner Fahrer ist, als Beifahrerin sitze ich nämlich immer knapp am Abgrund. Ab und zu mache ich die Augen zu, die Spannung ist kaum auszuhalten, wenn uns in der Kurve so ein Mopedfahrer scheinbar mittig entgegen fliegt, das Knie fast auf dem Asphalt. Puuh!!

Die Aussichten sind atemberaubend, das blaue Meer weit unten, am Horizont ist Capri zu sehen. Die bunten Häuser kleben geradezu an den schroffen Hängen, blühende Mandelbäumchen und Mimosen setzen hübsche Farbtupfer. Nach der nächsten Serpentine der Turm einer Burgruine – kleine Trattorien laden zum Essen ein – Parkplätze an der Straße – mit eingeklapptem Spiegel lehnen die Autos an der Felswand. 

Abrupt bremst der Skipper, Omi schiebt ihre Einkaufskarre über die Straße. Die Strecke ist nicht nur in freier Landschaft kurvig, sondern führt genauso tricky durch die Ortschaften. Manchmal fahren wir auf eine massive Mauer zu und sehen erst im letzten Moment, dass es mittendrin scharf um die Kurve geht. Ist klar, dass ausgerechnet hier eine Ape knatternd losfährt und der Skipper beherzt auf die Bremse treten muss. Vor Amalfi nimmt der Verkehr deutlich zu, Busse, LKW, Roller kommen uns entgegen, der obligatorische Drängler klemmt auf der hinteren Stoßstange, doch am Ortseingang ist Ruhe, weil Hupen verboten ist.

Am Meer angekommen brauchen wir erstmal `ne Pause, hier gibt es auch wieder normale Parkplätze und prompt müssen wir für 2 € Gebühr mal wieder einen Parkautomaten-Kurs machen. Diese Apparate haben es in sich, haben mehr Tasten als eine alte Schreibmaschine, dazu ist die Bedien-Sprache italienisch und wenn man das Menü abarbeitet, müssen unbedingt – warum auch immer – die Stellplatznummer und dann das amtliche Kennzeichen eingegeben werden. Wo steht der Kasten?  Richtig, immer am anderen Ende des Parkplatzes, jeder kann sich vorstellen, wie oft wir zu unserem Auto gejoggt sind, bis wir die Daten zusammen  hatten und der Automat endlich den begehrten Bon ausdruckt, der im Auto gut sichtbar deponiert werden muss. Bedienerfreundlich geht anders. Ein dickes Lob an die Skipperin, die den Code souverän geknackt hat. Nach einem leckeren Cappuccino, ausreichend Bewegung hatten wir ja und einem kleinem Rundgang durch Minori – hier decken wir uns mit den einzigartigen Amalfi-Zitronen ein – geht’s retour.

Diesmal wird die Skipperin an der Felswandseite entlang geschrammt äh chauffiert – scheint nicht so gefährlich. Sollten wir vorsichtshalber den Seitenspiegel einklappen, wie die Italiener das vormachen? Ganz schön eng ist es! Nach zwei Tagen Kurvenprogramm hat sich der Skipper ausgetobt. Wir haben inzwischen unser Quartier gewechselt und das B&B Al Chiaro di Luna in Agerola (www.alchiarodilunaresort.it) bezogen. Die sympathischen Vermieter haben einen alten Landhof in ein moderne Herberge umgewandelt, mit einem knisternden Kamin im Frühstücksraum –  kommt richtig gut, denn die Temperaturen sind hier oben nachts am Gefrierpunkt.

An dieser Stelle ein Loblied auf das Frühstück – Lucia präsentiert uns ein reichhaltiges Buffet mit leckeren Köstlichkeiten, obwohl wir zurzeit die einzigen Gäste sind. In der Saison ist das Haus mit max. 10 Betten oft ausgebucht. Wir haben gelesen, dass dann auch am Abend für die Gäste gekocht wird. Eine wirklich empfehlenswerte Unterkunft, der Linienbus zur Küste runter startet 500 m entfernt. Beim kleinen Schnack am Morgen macht uns Lucia (sie spricht gut englisch!) darauf aufmerksam, dass der Sentiero degli Dei ganz in der Nähe beginnt, jetzt sei da nicht viel los. Also fahren wir stramm bergauf (man kann auch zu Fuss gehen) heute 2,5 km weit, nämlich von unserem B&B bis zum Startpunkt des Sentiero degli dei, dem Pfad der Götter.

Die Skipperin hat viel darüber gelesen und möchte unbedingt auf diesem Weg, der quasi oberhalb der Amalfitana entlang führt, laufen. Der Höhenwanderweg ist weltberühmt, gut 10 km lang überwiegend auf 600m Niveau von Bomerano/Agerola nach Nocelle und von dort ca. 1000 Treppenstufen runter nach Positano. Man muss schwindelfrei sein und darf keine Herz-Kreislaufprobleme oder gar Höhenangst haben. Warntafeln weisen auf zahlreiche Risiken hin. Das ist keine Flipflop-Strecke, ohne Geländer schlängelt sich der Pfad über Stock und Stein am Berg entlang und bietet phantastische Aussichten.

Wir sind genau zur richtigen Zeit hier, nur wenige Wanderer sind unterwegs, in der Saison steppt hier der Bär – ganze Busladungen von Enthusiasten laufen quasi im Gänsemarsch los. Die ersten Kilometer lassen sich gut bewältigen, doch so ganz ohne Gefälle geht es nun doch nicht. Als es mehr und mehr zur Kraxelstrecke wird, machen wir kehrt, die tausend Stufen nach unten schenken wir uns. Wir sind trotzdem glücklich, das Stück Höhenrausch erlebt zu haben und wundervolles Fern-Sehen genießen zu können. Die Fotos können das gar nicht wiedergeben. Für jeden Natur- und Wanderfreund ist dieser Weg ein Muss.

Viel zu schnell sind unsere Ausflugstage vorbei und wir treten die Rückfahrt an. Die Berge lassen uns jedoch nicht so leicht los, über Nacht hat es geschneit, die Wolken hängen tief und Flocken rieseln. Wir sitzen beim Frühstück vor dem prasselnden Kaminfeuer und wollen eigentlich gar nicht weg.

Die Gipfel sind eingezuckert – magische Bilder, damit haben wir in dieser Region nicht gerechnet. Wieder mal hat uns Italien überrascht und uns eine ganz neue wunderschöne Seite gezeigt.

6 Comments

    1. sy-columbia

      Hallo Monika,
      Danke für deinen Kommentar. Wir freuen uns immer wenn`s gefällt. Du warst lange „offline“! Schön, dass du wieder da bist,
      wir haben dich schon vermisst.

  1. Franz Feil

    Wunderbare Bilder und Beschreibungen. Da werden Erinnerungen wach, an den Sentiero degli Dei und viele Weitere.
    Und es gibt nur eine Steigerung von der Amalfitana per Auto, die Amalfitana mit dem Roller……………………
    Viele, liebe Grüße von Britta und Franz

  2. Berte

    Bella Italia…
    Wunderschöne Bilder und eine Phantastische Schilderung eurer (Reise)impressionen – war gerade wie Kopfkino bzw. virtuell mit euch mitreisen beim Lesen des Beitrages.

    Freue mich auf den Nächsten 😉

    baccccioooo

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