Vom ruhigen und beschaulichen Herbst, so wie wir ihn bei unserer WoMo-Reise genießen konnten, mussten wir uns nach unserer Rückkehr nach Italien schnell verabschieden. Wir wollen uns nicht beschweren, die Temperaturen sind meist zweistellig und nach grauen Tagen strahlt immer wieder die Sonne vom blauen Himmel. Und doch beobachten wir weitreichende Änderungen des Wettergeschehens und anderer Naturphänomene, die einem Sorge machen können. Über das Wetter, welches man eh nicht ändern, kann zu berichten, widerstrebt uns eigentlich. Jedoch wurden hier Städte und Landschaften getroffen, in denen wir uns noch vor kurzen aufgehalten und wohlgefühlt haben. Da wir über Monate mit den Menschen dort zusammen gelebt haben, empfinden wir mit ihnen eine tiefe Solidarität. Nicht zuletzt denken wir an unsere Seglerfreunde, die in Licata überwintern. „Unser“ Sizilien wird zur Zeit arg gebeutelt. Die Auswertung der Wetterdaten veranlasste kürzlich den italienischen Wetterdienst zu der Aussage, dass Sizilien gemäß der erhobenen Daten nicht mehr zu den Subtropen, sondern zu den Tropen zu zählen sei, die beobachteten Wetterphänomene seien zunehmend heftiger, denn die sie speisende Energie nähme stetig zu. (Afrika-Hoch und hohe Wassertemperaturen im Mittelmeer) Nachdem in Syrakus in diesem Sommer der Europa-Hitzerekord mit 48,5 °C aufgestellt wurde, folgte nur Wochen danach ein Medicane, der sich nahezu ortsfest vor der Küste Siziliens drehte.
Dabei sind insbesondere Catania und Syrakus von extremen Regenmengen geflutet worden. Die städtische Kanalisation ist seit den Ätna-Ausbrüchen praktisch nicht mehr vorhanden, weil alle Gully’s mit Lavaasche verstopft sind. Die Wassermassen haben Schäden angerichtet, die denen in Deutschland im Ahrtal in nichts nachstehen. Vor Licata, unserem Heimathafen im vergangenen Winter, ist in diesem Herbst ein Doppeltwister vor der Hafeneinfahrt beobachtet worden, zum Glück blieb er auf See. Bei einem Landfall wären die Schäden an Menschen und Material verheerend gewesen. Alle Vulkane in Italien werden bekanntermaßen von einer riesigen unterirdischen Magmakammer gespeist, bzw. stehen auf dieser. Der Ätna ist seit ca. 1 Jahr ununterbrochen aktiv und schickt Unmengen von Asche übers Land. Nun sind auch der Stromboli und der Vulkan auf der Insel Vulcano aus ihrem Schlaf erwacht. Während der Stromboli seit kurzem Lava ausstößt, steigen aus Vulkano hingegen giftige Dämpfe aus. Diese Gasausbrüche sind so heftig, dass ein Großteil der Inselbewohner ihre Häuser verlassen mußte. Wann sie wieder in ihre Häuser zurückkehren können und ob überhaupt, ist unbekannt. Die giftigen, unsichtbaren Gase verflüchtigen sich nicht, sind schwerer als Luft, strömen wie Wasser die Vulkanhänge herab und sammeln sich in Senken oder eben in Häusern oder Kellern. Experten sind vor Ort. Sind das Vorboten eines drohenden Ausbruchs? Es herrscht allgemeine Verunsicherung, es wird über Bittgottesdienste berichtet und auf ein Wunder gehofft. Passend dazu kam die Meldung eines Seebebens vor den Äolischen Inseln. Wir wissen nicht, was das bedeutet, doch „hier ist irgendwas im Busch“. Über diese Phänomene wird außerhalb der hiesigen Lokalnachrichten kaum berichtet, da die Medien zur Zeit fast ausschließlich mit dem Thema „Corona“ beschäftigt sind. Wettertechnisch sitzen wir derweil „zwischen den Stühlen“, irgendwie ist bei Rom eine Wettergrenze. Die heftigen Regenfälle des Genuatiefs mit Schnee im Apennin streifen uns lediglich und die Turbulenzen aus Süditalien toben sich vorher aus. Nur wenn der „Löwe im Golf“ mal wieder Schnappatmung hat, nimmt auch der Wind bei uns zu und bringt die Yachten in der Marina in Wallung. Zum Ende der letzten Schönwetterphase haben uns Ewa und Anders zum vermutlich letzten Segeltripp des Jahres eingeladen: typisches Kaffeesegeln – fast ohne Wind, aber schön war`s trotzdem mal wieder auf See zu sein.
An Land animieren uns die herbstlichen Schönwettertage zu diversen Trips nach Rom. Wir suchen bewusst die Nebenschauplätze, abseits der Touristenströme. Das antike Stadio di Domiziano ist so ein Ziel. 4,5 m unter dem heutigen Straßenniveau der berühmten Piazza Navona sind die Ruinen eines gemauerten Sportstadions in einem kleinen Museum zu begehen. Der Imperator Domitian ließ es 85 n.Chr. bauen um die Römer für die athletischen Wettkämpfe ohne Gewalt zu begeistern. Das Gebäude bot mit einer Länge von 275 m und einer Breite von 106 m Platz für 30.000 Zuschauer (das Kolloseum 50/60.000)
Piazza Navona – heute Das unbekannte Stadion als Modell
Die Athleten kämpften nackt, das Tragen von Kleidung galt als unzüchtig! Durch die Jahrhunderte ist das monumentale Bauwerk überbaut worden und im Untergrund verschwunden. Ein weiterer Geheimtipp ist ein Industriemuseum, das erste öffentliche Elektrizitätswerk von Rom „Centrale Montemartini“ im Stadtteil Garbatella, erbaut 1912 mit einer Maximalleistung von heute geradezu schlappen 5500 KW, damals top aktuell.
Valencia lässt grüßen! Kunst am Bau
Die alten Maschinenmonster sind an sich schon Kulisse genug, doch hier hat man die Industriekathedrale zum Ausstellungsraum für römische Skulpturen, Bodenmosaike und andere interessante Gegenstände umfunktioniert. Diese stammen zum Teil aus Rettungsgrabungen, die beim Bau einer Trasse der U-Bahn und des Bahnhofs gefunden, freigelegt, gereinigt und konserviert wurden.
Darunter auch Bronzebeschläge einer Sänfte, aus denen eine originalgroße Rekonstruktion angefertigt worden ist. Eine solche Sänfte, die jeder aus den Monumentalfilmen wie „Cleopatra“ oder „Ben Hur“ kennt, ist überaus beeindruckend anzuschauen.
Je länger der Skipper sich damit beschäftigt, desto klarer ist, dass er zur damaligen Zeit kein Sänftenträger sein wollte, denn das war Maloche pur, nicht nur im Winter, auch im Sommer bei unerträglicher Hitze. Nach seinen Schätzungen hatte jeder der 4 Träger mind. 20 kg zu tragen, eine Leichtigkeit beim Transport der Tochter des Hauses. Wenn sich jedoch der gut genährte Familienvorstand auf der Liegefläche fleezte, dann wurde es wohl deutlich mehr. Verlangte dieser auf Grund von Terminproblemen noch eine höhere Transportgeschwindigkeit also Laufen statt Gehen – das alles in römischen Flipflops (Sandalen) auf grobem Kopfsteinpflaster, nein, nein ganz ohne Frage, Sänftenträger war ein echter sch….Job! So als armer Sklave konnte man sich abends sicherlich die Sandalen im Stehen ausziehen.
Päpstliches Wappen
Komplettiert wird die Ausstellung durch den päpstlichen Zug von Pius IX, gebaut 1858, den der Papst in den Anfängen der Eisenbahn bei Reisen innerhalb Italiens benutzt hat. Während Jesus für seine Reisen noch ein Esel genügte, musste es nun Luxus pur und Holz massiv mit Blattgold sein. Nun ja, aber interessant war das trotzdem. Da der Skipper nicht so sehr an Marmorstatuen und feinen Bodenmosaiken interessiert ist, bleibt genug Zeit sich mit der Stromerzeugung zu Beginn des letzten Jahrhunderts zu beschäftigen, einfach überwältigend. Zwei riesige Motoren, ähnlich heutigen Schiffsmotoren aus der Großschifffahrt (6m hoch, Diesel, 2 Takt) die in der Halle zusammengebaut worden sind, trieben über ein Schwungrad jeweils einen Generator an.
Steuerstand Kurbelwelle mit Pleuelstange Schwungrad mit Generator
Alles „very heavy duty“ und massiv. Viele alte Fotos an den Wänden geben einen tollen Einblick in die Arbeitsabläufe und in die damalige Arbeitswelt. Die in der Halle herrschende Lautstärke, die hohen Temperaturen (die Dieselleitungen sind armdick) können wir uns gar nicht vorstellen. Arbeitsschutz war noch nicht erfunden, taub waren vermutlich eh alle, einfach extreme Arbeitsbedingungen. Das Museum können wir jedem Technikfan nur empfehlen.
Übrigens, man kann die Räumlichkeiten auch für „kleine“ private Feiern mieten. Während wir unsere Erlebnisse aufschreiben, sitzen wir warm und trocken im Boot und haben die erste Adventskerze angezündet, die Heizung läuft.
Draußen stürmt und regnet es, die Yachten tanzen, der Wellenbrecher ist voll beschäftigt. Herbst!
Beaufort 8 – bläst sogar die
Deko-Tannen krumm!Der Löwengolf gibt wieder alles. Da braut sich was zusammen!
Nice reading as usual.