Nach einer erholsamen Nacht auf einem Campingplatz bei Moratalla, der idyllisch mitten im Wald an einem kleinen Gebirgsfluss liegt, geht es am nächsten Tag weiter – auf zu neuen Abenteuern. Die Wettervorhersage (angekündigte Starkregenfälle) bewirken eine spontane Planänderung. Wir fahren über Landstraßen und Autobahnen geruhsam bis Gibraltar durch und parken auf einem Stellplatz am Hafen, den wir uns aus der Zeit, als wir mit unserer Yacht hier waren, gemerkt haben.
Wir wollen den Durchzug des Schlechtwettergebietes abwarten und vertreiben uns die Zeit mit einem „Winterbesuch“ von Gibraltar. Die Rückfahrt wird uns dann durch die Bergwelt der Sierra Nevada zurück nach Valencia führen. Diese Entscheidung war wohl richtig, denn im Verlauf der Fahrt erhaschen wir mehrfach Blicke auf die hohen Berge der Sierra Nevada, die weiß „einpudert“ sind.
Der heutige Streckenabschnitt führt zuerst über Land von Moratalla nach Guadix und erneut hat der Skipper ein Dauergrinsen im Gesicht. Es geht durch ausgedehnte Obstplantagen und Gemüsefelder – gerade wird Blumenkohl geerntet. Das Frühjahr muss wundervoll sein, wenn die Mandel-, Pfirsich- und Aprikosenbäume in voller Blüte stehen. Uns faszinieren die leeren Straßen.
Man glaubt es nicht, wenn man es nicht gesehen hat. Straßen, dazu noch gebührenfei, in einem 1a Zustand, reichen bis zum Horizont und wir sind anscheinend die einzigen, die diese benutzen. Der Skipper fragt sich, ob wir eventuell eine lokale Info nicht mitgekriegt haben, gibt es vielleicht ein Fahrverbot oder wird gestreikt – was ist los? Wir sind leicht verunsichert und finden keine Erklärung. Bin ich als über Jahrzehnte dauerstau- und baustellengeplagter deutscher Autofahrer, der sich regelmäßig die Reifen eckig gestanden hat (besonders auf dem Parkplatz der sich A1 nennt) nun im Paradies gelandet? Über solche Straßen zu fahren ist purer Genuss. Die vorbeiziehenden Landschaften bieten viel zu schauen – weite Ebenen mit Monokulturen von fernen Gebirgszügen umgeben wechseln mit schroffen Steinwüsten – herbstlich verfärbte Pappeln säumen kleine Flusstäler.
Alles wirkt sehr gepflegt, Reklameflächen – Fehlanzeige, die Dorfansichten sind unverfälscht. Um Guadix herum wird das Thema „Wohnen im Berg“ wieder aktuell. Selbst ganze Hotels sind in den Berg gebaut und werben um Gäste.
Die Zeit vergeht wie im Flug, der eine oder andere heftige Regenschauer stört den Genuss überhaupt nicht. Die Fahrt ist insgesamt Doping für die Augen, hinter jeder Kuppe gibt es neue überraschende Perspektiven und Dinge zu entdecken. Wir erreichen bei Eintritt der Dunkelheit den Wohnmobilstellplatz an der Marina La Linea und fühlen uns sofort zuhause – mit freiem Blick auf den Felsen von Gibraltar. Am nächsten Tag gehen wir mal eben rüber zum Bummeln.
Wir frischen unsere Eindrücke vom Frühjahr auf: die roten Telefonzellen, Litterboxen, Menschen die Schlange stehen, schrille Farben, skurrile Typen und Restaurants, die mit typisch britischer Küche, wie Fish & Chips um Gäste buhlen. Wir haben es uns angetan und nach Jahren der Enthaltsamkeit uns mal wieder dieses Edelgericht gegönnt. Das Restaurant „The Angry Friar“ bedient auch wirklich alle Klischees, die man mit dem Begriff „very british“ verbindet. Da ist es völlig unwichtig, wie das Essen schmeckt – wir sitzen und schütteln nur den Kopf bei der Beobachtung unglaublich skurriler Typen ob nun Restaurantpersonal oder Gäste. Es werden nun wieder Jahre vergehen, bis wir eventuell wieder rückfällig werden und die Zeit die frischen Eindrücke schön gefärbt hat. Die britische Kochkunst war damals einer der vorrangigen Gründe für uns an der französischen Küste durch den Kanal zu segeln und nicht irgendwelche hochtrabend seemännischen Überlegungen. Ist man bei schlechtem Wetter gezwungen längere Zeit im Hafen zu bleiben, ist man kulinarisch in Frankreich deutlich besser aufgehoben und für uns ist das wichtig. Ein Highlight möchten wir nicht verschweigen. Eine kleine Kneipe am Beginn der Fußgängerzone wirbt mit einer – wie wir finden – brillanten Geschäftsidee um Kunden. Sie bietet sich an als Abgabe- und Verwahrstation für quengelnde und nörgelnde Ehemänner, die ihre Frauen zum Shoppen begleiten (müssen).
Der Mann wird abgegeben, die Frau geht sorgenfrei schoppen und holt ihren gut abgefüllten Ehemann hinterher wieder ab. Den Besuchern nach zu urteilen, läuft der Laden wie „geschnitten Brot“. Als der Skipper seine Frau ansieht, kann er in ihren Augen ein Glitzern sehen – sie hat Sekundenbruchteile daran gedacht, diesen Service in Anspruch zu nehmen. Doch es ist nicht dazu gekommen, was sie spätestens in der Shoppingmeile schon bereut hat, denn heute ist Black Friday – großer Schlussverkaufstag mit super Schnäppchenangeboten – dafür verlangsamt der Skipper nicht mal das Gehtempo.
Überraschend kommt die Skipperin trotzdem noch auf ihre Kosten, sie gibt den Skipper zwar nicht im Bällchenbad sondern beim Friseur ab und nutzt die Chance das Portemonnaie dünner zu machen.