Noch vor dem Wachwerden, mit Beginn der Dämmerung legen wir in Imperia mit Ziel Korsika ab. 85 Seemeilen, 164 km wollen wir in einem Schlag segeln.
Der passende Wind ist vorhergesagt und so könnte es klappen, dass wir unser Ziel, eine abgelegene Ankerbucht beim Cap Corse noch im letzten Büchsenlicht erreichen. Sollten wir uns verspäten, wäre das auch kein Problem, denn der Vollmond sollte ausreichend Licht spenden.
Die Erwartung einer schnellen Überfahrt ist dann doch etwas zu optimistisch, denn der Wind bläst nicht konstant, sondern schwächelt zwischendrin und lässt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit sinken. Dieses schmälert das Segelerlebnis unter Vollzeug aber überhaupt nicht. Während der Reise hängt jeder von uns seinen Gedanken nach, zu tun gibt es nicht viel. Mehrfach tummeln sich Delphine am Boot und begleiten uns ein Stück – immer wieder schön, wenn sie uns besuchen.
Der Wind bläst konstant aus einer Richtung, die Segel müssen nicht nachgestellt werden und „Pilot“ hält eisern Kurs. Wir sind mit der Unisax allein unterwegs, nur wenige Schiffe sieht man am Horizont. Dann kommt sie von einem Moment zum nächsten schemenhaft in Sicht – Korsika – „Island in the steam“. Aus der Entfernung dunstig, dunkel, abweisend und sehr bergig. Unsere Ankunft rückt näher, dann es wird noch einmal spannend – Ansteuerung bei Nacht.
Unser anvisierter Ankerplatz liegt in einer kleinen Bucht abseits jeder Stadt oder Ansiedlung in der Einsamkeit. Das bedeutet, das es so dunkel ist, wie es sich viele unserer Leser nicht vorstellen können, wenn kein Licht einer Stadt, von Autos oder Straßenbeleuchtung vorhanden ist. Der Vollmond ist dann auch keine Hilfe, denn er leuchtet gerade in romantischem Orange und steht bei unserer Ankunft noch sehr tief. Also schulmäßig wie in einem Segelkurs mit Seekarte, Plotter, einem guten Nachtglas und mittels Radar tasten wir uns in die Bucht und lassen zwischen fünf anderen Schiffen den Anker fallen.
Der Ankergrund schimmert hell und beim Anstrahlen mit der Taschenlampe erweist er sich als feinster Sandgrund, sogar der Anker samt Kette ist zu sehen. Morgens erwachen wir im Paradies. Luft 30°, Wasser 24° Celsius, Sonne satt, keine Wolken und glasklares Wasser. Wir ankern auf 6 m Wassertiefe und können auf dem Grund den Schatten des Bootsrumpfes sehen. Kleine Fische schwimmen um Columbia herum. Das einsame Ufer mit dem historischen Wachturm können wir mit dem Dinghi erreichen, nur den Strand müssen wir uns mit ein paar Ochsen teilen. Die Rinder laufen frei umher und haben es sich am Badestrand für ein kleines Nickerchen gemütlich gemacht – glückliche und völlig aggressionslose Tiere.
Das Leben am Ankerplatz wird wie auf See vom Wetter bestimmt. Am nächsten Tag bekommen wir einen kleinen Vorgeschmack davon, dass wir hier an der wilden Küste Korsikas ankern. Wie erwartet streift Starkwind aus Südost unsere kleine Bucht und gegen Mittag lassen die Wellen Columbia an der Kette tanzen und das Rigg heulen, das ist jetzt für einige Stunden unangenehm, aber nicht gefährlich – wenn die Vorhersage stimmt, am Abend der Spuk vorbei ist und der Wind auf West dreht. Wir haben Lust an Land zu gehen und die Küste zu erkunden, doch bei solch heftigen Schiffsbewegungen (heißt: Das Heck ruckt 1 Meter rauf dann wieder runter, dabei 5 Meter zur Seite geschwenkt – nicht voraus zusehen in welcher Reihenfolge) ist das geradezu gefährlich, von der Badeleiter hinten am Heck heil ins Beiboot zu klettern. Und was machen wir dann so den ganzen Tag? Lose Sachen anbinden, die Kaffeetasse nur auf die Antirutschmatte stellen, lecker kochen, lesen, über Funk Pläne machen mit Ewa und Anders von der Unisax, die neben uns hüpft, Musik hören, Blog schreiben, viel fern sehen und die vorbeifahrenden Schiffe beobachten, neue Schiffe bei ihren Ankermanövern beobachten, die Windanzeige auswerten, den Ankeralarm im Blick halten, die gute Strombilanz (unsere neuen Solarpaneele sind fleißig) mit einem kalten Bier würdigen. Easy going und geduldig auf das Nachlassen des Windes warten! Schau mal: die Wellen haben keine Schaumkrönchen mehr; seit 10 Minuten nur noch 15 Kn Wind, hat ein bisschen mehr auf Süd gedreht – wird wohl doch eine ruhige Nacht ohne Ankerwache werden.