Nach der üblichen Groborientierung (wo sind die Sanitäranlagen, gibts Wifi und tut’s das auch, wo finde ich die Waschmaschinen und wie komme ich zum nächsten Supermarkt, welche uns bekannten Segler sind auch hier….? ) gehen wir auf Erkundungstour: La Linea und Gibraltar müssen entdeckt werden. Unsere Liegeplatz ist in der Marina der spanischen Kleinstadt La Linea. Nach nur wenigen Gehminuten kommen wir zur spanisch – britischen Grenze. Da Gibraltar, wie bereits erwähnt, nicht zum Schengenraum zählt, erfolgt der Grenzübertritt so wie früher mit Persi in Vorhalte, Sonnenbrille und Hut abnehmen, Gesichtskontrolle, ein strenger Blick und man darf weiter. Das ganze zweimal, da einmal Ausreise aus Spanien und dann die Einreise nach Gibraltar. Zurück zum Hafen, das gleiche Prozedere noch einmal, insgesamt sehr entspannt, muß eben so sein.
In Gibraltar tobt das hektische Leben, an das wir uns von See kommend erst wieder gewöhnen müssen. Wir empfinden das Landleben manchmal einfach nur als teils unerträglich laut, so mit dem allgegenwärtigen Handygequatsche und dem Verkehrslärm. Wer in Gibraltar ein Auto hat und dies benutzen will, ist wirklich bestraft. Es herrscht permanenter Dauerstau, in dem man sich die Reifen eckig steht. Die Straßen sind eng, Parkplätze so gut wie nicht vorhanden und so sehen auch die Autos aus, rundum zerbeult und zerkratzt, teilweise mit abgerissenen Stoßstangen. Viele, auch wirklich ältere Semester weichen daher auf Motorroller aus und düsen links und rechts an den wartenden Fahrzeugen vorbei. In Gibraltar spielt sich alles auf engstem Raum ab und wirkt daher wohl noch konfuser. Kurz gesagt, es steppt der Bär.
Nach dem Grenzübergang heißt es i.d.R. an geschlossenen Schranken warten, Nagelketten werden über die Fahrbahn gezogen und alle Ampeln auf Rot gestellt, auf jeder Fahrbahn steht Polizei. Diese Prozedur läuft mehrmals täglich ab, immer dann wenn ein Flugzeug startet oder landet. Obwohl Gibraltar eigentlich nur aus dem fetten Felsbrocken – the rock – besteht, besitzt es einen internationalen Flughafen. Ist schon ein eigentümliches Gefühl zum Einkaufen über eine Start- und Landebahn zu laufen. Nach wenigen Metern ist klar, dass man Spanien verlassen hat, unvermittelt ist alles very british. Es fängt bei den roten Telefonhäuschen und den typischen Doppeldeckerbussen an und endet beim Studieren der Speisekarten und der manchmal sehr speziellen Bürgerschaft. Als Währung gilt das Gibraltar Pfund oder das Britische Pfund, Euros werden natürlich auch genommen. Nach dem ersten Einkauf haben wir gut aufgepasst, nicht so viel Wechselgeld zurückzubekommen ist die Devise, denn das Gibraltar-Kleingeld wird man außerhalb von Gibraltar wohl nicht wieder los, und wird folglich im Portemonnaie vermutlich sehr alt werden. Gibraltar macht auf uns einen etwas schmuddeligen Eindruck, als wenn der Höhepunkt der Stadtentwicklung bereits überschritten wäre. Im Hafen machen oftmals mehrere Kreuzfahrtschiffe fest, doch das große Geld scheint wo anders hin zu fließen, obwohl viele Sachen hier mehrwertsteuerfrei zu erwerben sind. Vor dem Verkehrslärm flüchten wir in Gibraltar in die Fußgängerzonen. Ein internationales Angebot, selbstverständlich sind alle Edeldesigner vertreten. Schon in der zweiten Reihe ist nicht mehr alles Gold was glänzt und der Glanz der Prachtstraßen erstreckt sich wirklich nur auf diese. Reich sind hier wohl nur wenige oder sie zeigen es nicht wie anderswo.
Da sich die Sonne hinter Wolken versteckt, nehmen wir nach einem lockeren Schlendern durch die Innenstadt den Weg zum maurischen Kastell in Angriff. Der Aufstieg beginnt ganz harmlos mit einigen Treppenpassagen.
Die Beschilderung ist bescheiden und so folgt eine Steilstrecke nach der anderen, schließlich landen wir auf dem Rundweg des Naturreservates in halber Höhe des Felsens. Als wir später wieder auf Columbia zurück sind, können wir beim Blick auf den „rock“ kaum glauben, dass wir mit unseren Seebeinen so hoch gekraxelt sind. Eigentlich nur was für Bergziegen, echt schweres Geläuf, Treppen die irgendwo in den Wolken endeten. Es gilt das maurische Kastell (um 1160 gebaut) und die Tunnel aus der Zeit der großen Belagerung (1779-1783) zu besichtigen. Als wir oben angekommen sind, sind wir schweißnass, doch es hat sich gelohnt. Das Kastell ist eine Burganlage mit umwerfender Aussicht auf Bucht und Umgebung ansonsten aber nicht wie jede andere auch, sondern eine revolutionäre weil mit Badezimmer (aus arabischer Vergangenheit) und dies zu einer Zeit als sonst in Mitteleuropa der Kontakt mit Wasser etwa zum Waschen nicht bekannt oder als ungesund galt. Im Tunnelmuseum wird über die Zeit der mehrjährigen Belagerung und die Lebensumstände der Menschen informiert. Dass England die Meerenge kontrollierte, war natürlich Frankreich und Spanien mehr als ein Dorn im Auge. Der ganze Berg ist daher von einem Höhlen- und Tunnelsystem durchzogen und mit Kanonen gespickt, wir laufen durch endlose Gänge und Galerien mit Durchbrüchen für die eisernen Ungetüme. Wir staunen nur über technische Meisterleistung, die es geschafft hat, Plattformen in den Fels zu hauen, von denen präzise auf die feindlichen Schiffe gefeuert werden konnte. Es gelang nie, die Briten von Gibraltar gewaltsam zu vertreiben. Der Tunnelbau und die Kampfbedingungen in diesem Verteidigungssystem sind für uns heute unvorstellbar.
Jetzt ist aber erst mal genug Geschichte, für den ganz normalen Einkauf kehren wir nach La Linea zurück, hier ist auch nichts mondän sondern recht einfach, teilweise ärmlich. Beim Besuch der Wochenmarktes fällt uns starker nordafrikanischer Einschlag auf, angefangen von den Verkäufern bis hin zum Angebot. Hier wird schon mal der Kaftan getragen, einige Gemüsesorten und Gewürze im Angebot kennen wir nicht. Aus einigen Kaffeehäusern dringt nordafrikanische Musik an die wir uns erst noch gewöhnen müssen. Zur Zeit verkantet sich die Melodie noch im äußeren Gehörgang. Wir sitzen im Straßencafe mitten auf der Straße und der Bevölkerungsquerschnitt läuft vorbei, einige wenige gut gekleidete Leute, es dominieren jedoch die „sportlichen“ kräftigen Mädels in tripleXXL Leggins, die mit Sicherheit nicht zum Training eilen. Mediterrane Küche macht nicht immer schlank.
Heute ist es soweit, beim Skipper kommt es wegen der wehenden Lockenpracht inzwischen zu Sichtbehinderungen, als wir einen leeren Friseursalon in der Altstadt von La Linea ausmachen. Kurze Drehung um 90Grad, einmal durchschnaufen und Platz nehmen. Frisör ist Frisör, was soll schon schiefgehen. Mit etwas spanisch und was sonst so an Sprachen zur Verfügung steht, einigen wir uns auf eine Frisur Typ Kurz – auf 3-4mm Haarlänge abdrehen und schon geht der Meister ans Werk und der Skipper hält still. Jetzt hat er wieder ein Jahr Ruhe, bis die Matte wieder in die Augen fällt. Für die ganze Prozedur mit Augenbrauenzupfen, Ohren und sonstiges Freischneiden sowie Rasieren verlangt der junge Meister 12 Euro laut Preistafel. Der Skipper gibt 15 und bedeutet, der Rest sei Trinkgeld. Der Frisör fragt mehrfach nach, ob er richtig verstanden habe und verstand die Welt nicht mehr, scheint nicht ganz so oft vorzukommen. Jedenfalls wird der Skipper mit Handschlag verabschiedet und dem Meister stehen Tränen in den Augen.
Unglaublich was man über Gibraltar noch nicht wusste! Aber passt gut auf, dass Euch nicht ein Gibraltar-Affe an Bord schleicht, dann ist es vorbei mit der Gemütlichkeit und Ordnung! Ich freue mich für Euch, dass ihr die Ruhe und Erholung jederzeit in voller Länge um euch herum haben könnt, der Wahn des Alltags bei uns ist wie beschrieben hektisch, laut und stressig. Also legt die Füße in die Sonne und lasst euch weiter den Wind um die Segel wehen! Gruß in die Ferne aus der fernen Heimat!