5 Jahre Segelzeit

– und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Vor ein paar Tagen haben wir überraschend festgestellt, dass unser 5jähriges Jubiläum „Segelzeit“ ansteht. Ein Resümee mit soundsoviel Seemeilen und x Euro für Lebensmittel, Liegeplätze, Ersatzteile … ziehen wir nicht. Auch die Aufzählung von unglaublichen Abenteuern, von zahllosen Glücksgefühlen und wunderschönen Erlebnissen, von tausend Ankerpätzen, von besuchten Marinas, von unberührten Küstenstreifen und spektakulären Sonnenuntergängen, von schmackigen Genusserfahrungen und vor allem von inspirierenden Begegnungen mit Menschen würde hier den Rahmen sprengen. Unterwegs ist unser Blog zur Schatzkiste geworden, dort kommt alles rein. Wir stöbern gerne mal darin und  staunen, was wir in dieser Zeit so alles an Eindrücken gesammelt haben. Wir bereuen nichts und würden es genauso nochmal machen. Noch immer sind wir neugierig und freuen uns auf  jeden neuen Tag im Paradies, wo immer das auch gerade ist. Gut, dass wir uns damals getraut haben, Ballast abzuwerfen, das gewohnte Leben hinter uns zu lassen um zu schauen, wie es hinterm Horizont weitergeht. Wir lieben uns noch immer und kommen auf dem „kleinen“ Boot gut miteinander aus, jedoch kommen wir auch gut miteinander aus, wenn wir mehr Platz haben. Die Beschränkung auf wesentliche Sachen empfinden wir nicht als Verzicht, wir brauchen keine Kleiderschränke voll mit Sachen und X-Paar Schuhen, unsere gesamte bewegliche Habe passt in wenige Reisetaschen. Wir danken unserer Leserschaft für ihre Treue und ihre netten und witzigen Kommentare. Inzwischen hat ein neuer Abschnitt der Segelzeit begonnen, der Name passt zurzeit nicht mehr so richtig, denn Columbia trägt kein Segelkleid mehr. Wie ein Schmetterling, der sich verpuppt, ist sie in einen anderen Zustand übergegangen.

Als Motorboot gleitet sie durch Flüsse und Kanäle.

Allein die Flussreise durch die Stadt Lyon lässt alle Mühen vergessen. Wie oft sind wir in der Vergangenheit auf dem Weg in den Urlaub oder zurück hier durch gefahren. Vom Wasser aus sind die Eindrücke unmittelbar und überwältigend, wir kommen aus dem Staunen nicht heraus.

Hier am Fluss stehen die Burgen und Kastelle, wo Zölle erhoben wurden, hier stehen Kirchen, Lagerhäuser und die prächtigen Stadtpaläste, denn hier am Fluss regierte das Geld. Nichts davon ist zu sehen, wenn man mit dem Auto auf der Autobahn durch die Metropole fährt.

Port de Plaisance in Lyon – unser Nachtquartier

In Lyon haben wir unsere Freunde Ewa und Anders auf der Unisax eingeholt und sind nun wieder zusammen unterwegs. Es gibt viel zu erzählen. 

Halte Fluviale in Trevaux mit Unisax im Päckchen

Die Rhone haben wir nun hinter uns gelassen und tummeln uns jetzt auf der Saône. Ab Lyon sind wir fast ohne Strömung unterwegs und gleiten durch wunderschöne Flusslandschaften mit Weinbergen und pittoresken Örtchen, gesäumt von üppigem Grün und scheinbar unberührter Natur. Noch fließt das Wasser, doch es wird immer weniger. In einigen Kanälen Frankreichs, die auf unserer Route liegen gibt’s nicht mal mehr die sprichwörtliche Handbreit unterm Kiel, Canal de Ardennes, Canal de Vosgese und und und, gesperrt wegen Wassermangels oder wie der Canal de Bourgogne nur mit sehr wenig Tiefgang gerade noch befahrbar. Alternativ über Mosel und Rhein zu fahren geht auch nicht, da z.B. der Rhein bei Koblenz nur noch eine Wassertiefe von weniger als 1,00 m hat. In den Kanälen wachsen die Wasserpflanzen umso üppiger und spinnen die Boote so auch Columbia wie in einen Kokon ein. Ein bisschen mehr nach Norden und wir stecken fest.

Die französische Kanalbehörde informiert die Kanalfahrer jeden Freitag online über die Befahrbarkeit der französischen Wasserwege, Wasserstände aber auch über Sperrungen wegen Schleusenstörungen oder Bauarbeiten. Die letzten Meldungen betreffen ausschließlich Sperrungen wegen Wassermangels oder starkem Bewuchs. Zuletzt sind auf bestimmten Kanalabschnitten nur noch Gruppen von Booten geschleust worden, das bedeutet, es wird geschleust, wenn die Schleuse voll ist, Einzelschleusungen gibt es nicht mehr. Auf diese Weise will man Wasser sparen. Unterm Strich sind unsere Möglichkeiten erschöpft. Ein britischer „Entgegenkommer“ erzählt, dass er auf einem Kanalabschnitt 40mal tauchen war, um den Kühlwassereinlass an seinem Boot vom Pflanzenbewuchs frei zu machen. Das ist kein Zustand und ausreichend Regen ist weiterhin nicht in Sicht. Mit anderen Worten, wir sitzen mitten in Frankreich (im Anbaugebiet des Burgund und Beaujolais!!) fest. Wir sind in den Port de Plaisance (Sportboothafen) von Macon eingelaufen und haben uns hier für den „Winter“ auf einem Wasserliegeplatz einbuchen können.

Macon in Sicht

Unsere Reise werden wir erst im nächsten Frühjahr fortsetzen, wenn hoffentlich wieder genug Wasser vorhanden ist. Darüber sind wir nicht traurig und nehmen es, wie es ist, denn unsere Binnentour war bisher weit aus schöner als je erhofft und deutlich weniger anstrengend als ein Segeltörn durch den englischen Kanal oder über die Biskaya. Die Rhone und die Saone sind zwar durch menschliche Eingriffe für die Schifffahrt nutzbar gemacht und durch eine Vielzahl von Schleusen weitestgehend „gezähmt“ worden, doch ist der natürliche Flusscharakter erhalten geblieben.  Der Flussausbau ist hier ganz offensichtlich mit Bedacht umgesetzt worden, denn an jede Schleuse schließt sich je ein Wasserkraftwerk an. Daneben führt die Rhone in ihrem alten Bett weiterhin Wasser.

Dies wirkt wie ein entlastendes Überdruckventil, Hochwasser können so leichter abfließen. Daneben haben diese nicht schiffbaren Altarme die Funktion einer natürlichen Fischtreppe.

Die bösen Fehler wie in Deutschland, (Stichwort Flurbereinigung) Gewässer in ein betoniertes Kanalbett zu zwängen, Neubaugebiete bis ans Flussufer zu genehmigen, wenn schon eine Kurve – dann bitte rechtwinklig, finden sich hier zum Glück nicht. Dafür überall abzweigende, irgendwo im Nirgendwo endende Flussarme und großflächige Überschwemmungsgebiete, der Fluss mäandert. Wir staunen über Rinderherden, die sich im Fluss abkühlen und Kühe, die mit ihren Kälbern im Wasser plantschen; das haben wir zuletzt an der wilden Küste Korsikas gesehen!

Badetag für Kälbchen

An einigen Stellen fließt die Saone durch dichten Wald, die Bäume stehen direkt am Ufer, ein anderes Mal passieren wir Teppiche blühender Seerosen, einfach wunderschön. Ein Paradies für Fische, unzählige Wasservögel und Naturliebhaber. Mitten in der Natur finden sich Anlegestellen für Sportboote abseits allen Rummels, wir gehen schwimmen, erfreuen uns an der Natur und fühlen uns einmal mehr im Paradies. Himmel und Erde gehen nahtlos ineinander über.

Diese Reise auf dem Fluss entschleunigt ungemein und mit der Zeit der Langsamkeit betrachten wir die Wunder ringsum uns. Das Größte dieser Wunder ist dabei einen Teil dieser Reise zusammen mit unserem Enkel zu erleben. Jeden Abend schießt er ein Foto vom Sonnenuntergang für die Instagram-Fangemeinde!

Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag (Beginn der französischen Revolution mit dem Sturm der Bastille) haben wir im idyllischen Hafen von Condrieu festgemacht.

Hier haben wir den Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Kultur hautnah erleben können. Auch in den Wirren der französischen Revolution sind viele Menschen umgekommen und jeder einzelne war einer zu viel. Doch in Frankreich ist dieser Tag ein Festtag, Familien und Freunde treffen sich zum Picknick, es wird gelacht und es herrscht Volksfeststimmung mit Kinderbelustigung, Musik, Tanz, gutem Essen und Wein, der Abend endet überall mit einem grandiosen Feuerwerk, diesmal mit uns in der ersten Reihe. Diese Feuerwerke ziehen sich die gesamte Rhone entlang, da jede Stadt ihr Feuerwerk um einige Minuten versetzt zündet.

Die Atmosphäre in der Marina ist großartig, zum Abschluss haben die Leute auf den Booten applaudiert und die Signalhörner geblasen. Welch ein Unterscheid zu Deutschland, wo zu feierlichen Anlässen gerne diverse Streichorchester bemüht werden, Politiker dummes Zeug reden, Lachen verboten ist und ein Feuerwerk wegen der Feinstaubbelastung sowieso. Wie auch immer, die Natur hat für uns die Karten wieder einmal neu gemischt. Auf dem Meer haben Wind und Wellen unseren Segelalltag bestimmt, die sind jetzt fast bedeutungslos geworden. Dass wir wegen Wassermangel nicht weiterfahren können, haben wir in den kühnsten Träumen nicht erwartet. Um so mehr genießen wir die Unterbrechung, schließlich sind wir mitten in Frankreich, in der Region der guten Weine und Genüsse also im Paradies gelandet. 

3 Comments

  1. Hallo ihr Lieben, den Wassermangel hatte ich schon befürchtet, aber ein Plan, der nicht geändert werden kann ist ein Sch…Plan.
    Sonnige Grüße von der EIRA, zur Zeit im Nordosten von Sardinien,

    Eva und Frank

    PS: Grüße auch an die UNISAX und bleibt ihr an Bord?

  2. Monika

    Ich gratuliere zum 5 jährigem Segeljubileum !

    Und bedaure sehr nun nicht mehr auf die so spannenden Reiseberichte hoffen zu können !

    Viel Glück 🍀 für den neuen, sicher auch spannenden, Lebensabschnitt.

    Monika

    1. sy-columbia

      Hallo Monika, wir sitzen zwar im Moment fast auf dem Trockenen, doch im nächsten Frühjahr nach ordentlich viel Regen geht unsere Tour über Flüsse und Kanäle weiter zur Ostsee, unserem künftigen Revier für die Segelzeit im Sommer. Was machen wir in der „Zwischenzeit“? Bleib gespannt und lass dich überraschen! Die Columbianer

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