100 Schleusen

haben wir letzte Woche gezählt, seit wir in Macon abgelegt haben und kein Ende in Sicht. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Frankreichs Norden ist dünn besiedelt, der Kanal durchzieht nach unserem Eindruck über weite Strecken waldreiches Gebiet und einen Nationalpark und wirklich menschenleere Gegenden.

Wir sind allein in einer überwältigenden, teilweise stimmgewaltigen Natur.

Hier singt die Nachtigall

Allen voran treffen sich unzählige Frösche zum abendlichen Konzerttermin den diese mit Einbruch der Dunkelheit schlagartig beenden, um sich zur Nachtruhe zurückzuziehen. Damit war in unserem Fall die Waldbühne frei für einen kleinen aber stimmgewaltigen Sänger, dem Caruso unter den Singvögeln, einer Nachtigall. An einem Übernachtungshalt in der Einsamkeit hat dieser die ganze Nacht nur für uns geträllert, einfach wunderschön. Der Wald, zumindest in Kanalnähe wird erkennbar nicht wirtschaftlich genutzt, wir sehen abgestorbene und umgestürzte Bäume, die nicht weggeräumt werden und so hört man das Stakkato der Spechte, die um die Wette hämmern. Der Radweg neben dem Kanal ist in einem top Zustand, wohl auch, weil auf ihm die Mitarbeiter der Kanalverwaltung mit ihrem Maschinenpark unterwegs sind, denn Straßen parallel zum Kanal gibt es oftmals nicht. Wir jedenfalls werden ganz sicher irgendwann mit unserem Womo und unseren Pedellecs wiederkommen, denn man kann z.B. von Reims am Kanal lang bis zum MM fahren ohne auf Massentourismus zu treffen. Entlang des Kanals sind Unmengen verschiedenster Bäume neu gepflanzt worden, ob aus Umweltgründen oder um die Ufer zum befestigen, wissen wir nicht, ist auch egal, sie stehen jedenfalls da, das ist gut und sie gedeihen prächtig. 

Wir haben so unsere Routinen entwickelt, wenn es heißt „Schleuse voraus“. Zuerst kommt das Hinweisschild „Schleusung anfordern“ in Sicht. Da Unisax vor uns fährt, das hat sich so eingespielt, drückt die Unisax-Crew das Knöpfchen der Fernbedienung.

Wenige Sekunden später springt die Ampel auf Rot-grün und ein orangenes Blinklicht quittiert die Anfrage. Es sei denn, es gibt Gegenverkehr, d.h. ein Boot schwimmt gerade in der Schleuse, dann blinkt das Grünlicht, d.h. warten und der Skipper „vertreibt“ sich mit diversen Manövern die Zeit – vorwärts, rückwärts, Bugstrahlerpusch und wieder von vorn. Viel Platz ist nicht und das Boot ist immer in Bewegung, sei es durch Wind oder Strömung. Inzwischen spekulieren wir, in welcher Farbe die Pilzpoller gestrichen sind, weiß wie Champignons, braun wie Braunkappen oder blau wie Tintlinge, zurzeit überwiegen die blauen.

Grüne Aussichten

In einer Schleuse hat sich doch wirklich jemand die Mühe gemacht und die Poller wie Fliegenpilze lackiert. Der allererste Pilz gleich links an der Einfahrt ist der Liebling der Skipperin, den muss sie mit gekonntem „Lasso-Wurf“ einfangen, klappt nicht immer, manchmal duckt sich das Ding einfach weg und der Skipper muss es richten. Gar nicht so einfach in so’ner engen Wanne. Seit dem Tunnel von Balesme fahren wir ja „bergab“. Das heißt die Wanne ist voll, wenn sich die Tore öffnen, so voll, dass die Fender aufschwimmen und dann muss Frau schnell aussteigen und Columbia auf Abstand halten, damit nichts zerkratzt. Nebenbei noch ne Leine um den nächsten Poller legen. Alles klar, es geht abwärts!

In der Schleuse ahnt man schon, was anschließend droht, wenn das Boot in Watte schwimmt und grüne Hügel die Schleusenränder zieren. Invasive Pflanzen heißen die in der Fachsprache und klammern sich gern an Ruderanlagen und Kiele. Kaum sind wir aus der Schleuse raus muss erstmal rückwärts und in Schlangenlinien gefahren werden, bis sich die schwimmenden Biotope nicht mehr halten können.

Das bedeutet, so richtig Meilenfressen is nich. Wollen wir auch gar nicht! Wie heißt es so schön, der Weg ist das Ziel. So richten wir inzwischen die Tagesetappen an der Schleusen-Anzahl aus (ideal sind ca.10 Schleusen und ca. 15 km Distanz, hört sich nach wenig an aber wie das Sprichwort so schön sagt: viele Wenig sind auch ein Viel) und welche Liegeplätze etwas Komfort bieten. Der Kühlschrank und die Kühlbox laufen und wenn der Motor läuft, versorgt der Generator (Lichtmaschine) die Systeme mit elektrischer Energie, ansonsten unsere Solarpaneele. Columbias Frischwassertank fasst 400 Liter, damit gehen wir nicht verschwenderisch um, müssen aber auch auf nichts verzichten, bis wir wieder Wasser bunkern können. Marinas wie an der Küste gibt es nicht. Einfachste Version ist der blaue Duckdalben mit Steg zum Ufer, meist mitten im Grünen, nix drumrum.

Nächste Kategorie der Längsanleger mit Pilzpollern und Null-Ausstattung, große Qualitäts-Steigerung am Halte Piqué-Nique – mit Sitzgruppe aus Holz, komfortabel wird’s, wenn Wasser und Strom-Anschluss vorhanden sind, dann nennt sich der Anleger „Halte fluviale nautique“. Die Liegeplätze sind kostenlos, Strom und Wasser meist auch. Oft ist auch ein Womo-Stellpatz in der Nähe. Dazu schauen wir immer, was gibt es in der Nähe: genial ist ein Supermarkt fussläufig – top mit Waschsalon.

Die Outdoor-Waschsalons werden auch von Einheimischen gerne genutzt, wohl nicht jeder hat eine Maschine zu Hause. Die Profimaschinen sind gut gepflegt, da ist nichts defekt und das Waschmittel pp ist inklusive. Das Ensemble umfasst mehrere Waschmaschinen von 8 – 18 kg Fassungsvermögen, dazu mehrere Trockner. Die französische Bedienungsanleitung hat durchaus Interpretionsspielraum, die Deepl-ÜbersetzungsApp klärt den Rest. EC Karte vor ein Lesegerät halten, nach 40 Min Wäsche umbetten in den Trockner, turbomässig fertig nach weiteren 40 Min. Beim nebenbei Einkaufen muss man sich echt ranhalten und den Timer im Auge behalten, denn der nächste Kunde mit dem Wäschesack wartet schon.

Zurück zu den Festmachern: selten mal werden die Anlegestellen von Personal betreut (11€ pro Nacht), so einen hatten wir in Langres. Die nette Capitanerie-Familie hat uns alle vier zum Supermarkt und zur Stadtbesichtigung gefahren und wieder abgeholt. Wir waren überaus dankbar, zumal es heftig geregnet hat. On Top ist uns der Capitan zum nächsten Stopp mit dem Auto nachgefahren, um der Skipperin den vergessenen Schirm zu bringen. So viel Freundlichkeit haben wir noch nie erlebt. Vielen Dank! Der nächste Komforthalt ist uns in Chaumont geboten worden, hier gibt es eine heisse Dusche, wenn die Rezeption besetzt ist.

Durch Tunnel von Chaumont

Joinville bietet Wasser und Strom und eine Jagd-Ausstellung im Schlosspark, hat man wohl extra für uns veranstaltet.

2 Tage lang liegen wir in Saint Dizier am Stadtkai (mit Wasser und Strom) und kurzen Wegen in die Stadt, endlich mal wieder shoppen und im Restaurant essen gehen.

Pfingsten verbringen wir Vitry-le-Francois. Wir hatten Glück, dass unsere Freunde am Abend zuvor mit einem netten Franzosen ins Gespräch gekommen sind, er hat für uns im Hafen in Vitry telefonisch Liegeplätze reserviert, das sei nötig, weil dort nur selten etwas frei sei. Stimmt! Als wir mittags dort eintreffen, erwartet uns die Hafencapitänin schon und wir klemmen unsere beiden Boote an den allerletzten Rand des Kais.

Gegenüber liegt so eine armselige Schiffsleiche, hier hat der Eigner das Gastrecht wohl seit Jahren überstrapaziert. In Vitry endet der Canal entre Champagne et Bourgogne, an der letzten Schleuse geben wir die Fernbedienungen ab.

Wir sind gespannt wie die Schleusen in den nächsten Kanälen funktionieren und ob sie auch so schön grün sind! Der Canal lateral a la Marne und der Canal de l’Aisne a la Marne bringen uns bis nach Reims, dann schaun mer mal. Es ist Ende Mai und wir liegen gut in der Zeit. Bislang verläuft die Fahrt schöner als je erhofft. 

3 Comments

  1. Sinja

    Sehr schöne neue Eindrücke, die Ihr da beschreibt. Und Vitry-le-Francois wirkt malerisch schön – die dort lebenden Franzosen scheinen sehr klein zu sein. Oder täuscht die Darstellung der Häuser? Schon bald habt ihr lt. Karte ganz Frankreich durchquert! Die Ostsee ist nicht mehr ganz so weit entfernt. Ich wünsche Euch weiterhin eine gute Fahrt u mind. 30 cm Wassertiefe unterm Kiel! Grüße an die deutsch-schwedische-ohne-Segel-Gemeinschaft!

    1. sy-columbia

      Es freut uns sehr, dass unsere Begeisterung rüberkommt. Wir sind ja schon lange Frankreichfans, doch unsere Insidetour setzt da noch eins drauf. Ja, die Franzosen/innen sind im Prinzip eher klein und zierlich. Doch mehr und mehr sehen wir auch andere Körperformen, besonders in der Nähe vom goldenen M. So wie bei uns der Typ „deutsches Drahthaar“ eher zur Ausnahme geworden ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.