Wann habt ihr angefangen, den Plan auf Langfahrt zu gehen ernsthaft in die Tat umzusetzen?
Nach einer lebensgefährlichen Erkrankung des Skippers vor ca. 8 Jahren haben wir nach und nach gezielt unser Schiff ausgerüstet und berufliche Weichen gestellt.
Ist euer Schiff hochseetüchtig?
Nach den einschlägigen Kriterien des Germanischen Lloyds (heute DNV GL) als Klassifizierungsgesellschaft erfüllt unser Schiff alle konstruktiven und baulichen Voraussetzungen. Nachdem wir mehrere Jahre lang Yachten aus GFK (Kunststoff) gechartert hatten, war uns klar, dass wir ein eigenes Schiff aus Metall kaufen würden. Unsere Reinke S11 aus Aluminium hat all unsere Vorstellungen eines hochseetüchtigen Schiffes erfüllt. Der einzige Schwachpunkt sind wir.
Habt ihr eigentlich keine Angst vor Sturm?
Oh ja, haben wir und das nicht zu knapp. Daher planen wir sorgfältig, erst zusammen und dann jeder für sich. Wenn einer von uns Bedenken hat, legen wir nicht ab. Mit dieser Defensivtaktik sind wir bisher sehr gut gefahren. Sollte trotz aller Umsicht dann doch ein plötzlicher Sturm/Gewitter aufziehen, müssen wir damit klar kommen.
Habt ihr einen festen Wachrhythmus?
Nein. Tagsüber führen wir beide das Schiff. Nach dem Abendessen zieht sich einer von uns zurück und versucht zu schlafen oder sich auszuruhen. Meist stellt sich ein Wechselrhythmus von 3 – 4 Stunden ein. Jeder von uns ist bemüht, den anderen solange schlafen zu lassen, dass dieser auch die Traumphase erreicht. Ändert sich das Wetter, werden Änderungen an den Segeln nötig, ist das Verkehrsaufkommen erheblich oder das Befahrensgebiet tricky, wird der Schläfer geweckt.
Wer ist der Kapitän?
Jeder von uns kann das Schiff alleine fahren, wir haben die gleichen Befähigungsnachweise und Kurse abgelegt.
Wie macht ihr das nachts?
Wir führen das Schiff im Wechsel. Es gibt jedoch auch Nächte, in denen wir nicht gewechselt haben. So eine Nachtfahrt ist sehr intensiv und berührt alle Sinne. Es ist so dunkel, wie es sich ein Landbewohner nicht vorstellen kann, manchmal hört man in der Nähe den Blas eines Delphins oder Wals. Das Cockpit darf unter keinen Umständen verlassen werden. Während der Wache ist ein Sicherheitsgurt und die Rettungsweste zu tragen und sich einzupicken (an einem Auge =„Öse“ einhaken). Gerne hören wir gegen aufkommende Müdigkeit unsere Lieblingsmusik. Da man nachts die Wellen nicht sieht, besteht die Gefahr über Bord zu fallen. Das wäre unser schlimmster Alptraum, irgendwann aufzustehen und der Partner ist nicht da. Wer über Bord fällt, schwebt in Lebensgefahr, selbst wenn der Partner dabei ist und sofort handeln kann. Fällt man über Bord, während der andere schläft, ist man tot.
Wie haltet ihr es eigentlich auf so engem Raum miteinander aus?
Wir denken gut, wir kommen jedoch auch auf großem Raum gut miteinander klar.
Geht ihr eigentlich jeden Tag essen?
Nein, wir sind ja nicht im Urlaub, sondern wir wohnen hier.
Selbstverständlich gehen auch wir gerne essen, aber wir sind schon ein wenig anspruchsvoll. Es geht uns dabei nicht nur um die Kalorienaufnahme, was nicht heißen soll, dass es möglichst teuer sein muss. Vom Lokal erwarten wir „Können und Wollen“, ein wenig Esprit, eine angenehme Umgebung und wollen das Gefühl vermittelt bekommen, ein gern gesehener Gast zu sein. Die meisten Restaurants hier im Ort haben wir (einmal) besucht. Die gebotene Kochkunst toppt die Skipperin mit links. Ungern gehen wir darüber hinaus in Lokale mit einer internationalen Karte, denn da gibt es alles, aber nichts richtig und irgendwie schmeckt alles gleich. Ein weiteres Handicap für einen häufigeren Restaurantbesuch sind hier in Portugal die späten Essenszeiten – vor 20 Uhr braucht man sich kaum auf den Weg zu machen – bis das Essen dann bestellt und serviert ist …. wäre der Skipper schon verhungert. Was wir für uns überraschenderweise neu entdeckt haben, ist Sushi – als Mittagssnack.
Habt ihr eigentlich eine Waschmaschine an Bord?
Nein, haben wir nicht und vermissen wir auch nicht. Die heutigen Yachthäfen sind gut organisiert ähnlich einem Campingplatz. Es stehen meistens eine oder mehrere Waschmaschinen und -trockner bereit, die mit Münzeinwurf gestartet, die Wäsche waschen. In Spanien und besonders hier in Portugal ist es nicht selbstverständlich eine eigene Waschmaschine zu Hause zu haben. Es gibt daher in den Wohnvierteln und oftmals besonders auch in Hafennähe öffentliche Waschsalons mit Profimaschinen von 5 kg bis 18 kg Trommelkapazität und alles in einem Top Zustand.
Hier in Cascais bieten 2 engagierte Frauen ihre Hilfe im Waschsalon an, die wir gerne in Anspruch
nehmen. Man gibt die Wäsche für kleines Geld in deren Verwahrung und holt diese zu einer bestimmten Zeit gereinigt und getrocknet wieder ab, dann braucht man auch nicht die ganze Zeit anwesend sein und seine Wäsche bewachen oder nach dem Waschen in den Trockner umfüllen. 17 kg Wäsche kosten 20 Euro inkl. Waschmittel, für einen akzeptablen auszuhandelnden Zusatzpreis bekommt man dann die Wäsche auch noch gebügelt zurück. Der Sparfuchs kann die Maschinen natürlich auch selbst befüllen.
Fragen rund um das Ankern
Wir ankern gerne und ziehen einen schönen Ankerplatz idR einem Hafenplatz vor. Man ist allein auf seinem Boot und kann zumindest im Sommer im Süden die Hitze gut aushalten, da am Ankerplatz fast immer ein zumindest leichtes Lüftchen weht. Man kann jederzeit ins Wasser springen und sich abkühlen, während die Luft im Hafen oftmals steht. Um den Aufenthalt vor Anker genießen zu können, sind dabei einige Regeln zu beachten, damit das Unterfangen gefahrlos und angenehm abläuft.
Der Ankerplatz
muss für den gegenwärtigen und erwarteten Wind geeignet sein, d.h. man ankert so vor einer Küste oder hinter einer Insel, dass freier Seeraum hinter dem Boot liegt. Sollte der Wind zunehmen, der Anker slippen oder die Kette brechen, treibt man auf das Meer und nicht auf die Küste, wo man stranden würde. Informationen zum Ankerplatz (Tiefe, Bodenbeschaffenheit) liefern die Seekarte und die Revierführer sowie die eigenen Messungen mit dem elektronischen Lot. Grundsätzlich darf man überall ankern, wo es nicht verboten ist. Der Anker wühlt den Meeresgrund auf wie ein Pflug und deshalb sind, wenn Unterwasserkabel liegen oder auf den Seegraswiesen z. B. um die Balearen herum vielfach Ankerverbote verfügt, da dort die Kinderstube der Seepferdchen ist. Auf den Balearen sind in vielen Buchten Festmacherbojen ausgelegt, deren Benutzung gegen Gebühr Pflicht ist.
Ankergeschirr
Selbstverständlich darf am Ankergeschirr nicht gespart werden, hier zählt Gewicht und Qualität. Hängt doch unser Leib, Leben und unser gesamtes Vermögen an diesem Haken.
Unser Hauptanker (insgesamt haben wir drei Stück an Bord) wiegt 25 kg dazu 50 Meter Kette, 8mm stark, damit kann man gut bei Wassertiefen bis zu 10m ankern. Wenn es tiefer ist, ist der Ankerplatz nicht mehr gut für uns geeignet.
Beim Ankern schalten wir immer den Ankeralarm im GPS-System ein. Die Position des Schiffes wird damit per Satellit überwacht und es ertönt ein Alarm, wenn das Schiff auf Drift geht. Sollte der Wind drehen, stark zunehmen oder ein Gewitter aufziehen, kann es nötig sein, den Ankerplatz zu verlassen. Dann muss man umankern, d.h. auf die andere Seite der Bucht oder der Insel fahren oder das Schiff in den nächsten Hafen verlegen. Im schlimmsten Fall muss auf See die Wetterberuhigung „abgewartet“ werden. Unnötig zu erwähnen, dass solche Wetteränderungen oftmals in der Nacht passieren. Bei einem früheren Segeltörn zwischen Sardinien und Korsika nahm der Wind regelmäßig gegen Abend stark zu, die Buchten waren eng, der Ankergrund bedenklich weil Kies und sehr tief, so dass 14 Tage lang nachts Ankerwache gegangen werden musste. Im Wechsel hat ein Crewmitglied im Cockpit gesessen um den Motor zu starten und sofort loszufahren, sollte Ankeralarm ausgelöst werden. Ankern kann auch anstrengend sein.
Verpflegung
Am Ankerplatz kann man kann nur essen, was man vorher eingekauft hat. Es sei denn man hat Anglerglück. Schön ist es immer, wenn ein engagierter „Smutje“ an Bord ist, der mit den Gegebenheiten an Bord gut zurechtkommt und trotzdem etwas Leckeres auf den Tisch zaubert. Das kann auch mal schwierig sein, weil vielleicht eine Zutat fehlt, weil der Platz begrenzt ist, dazu ist Brennstoff sei es Gas, Spiritus oder Petroleum endlich. Die Schiffsbewegungen erfordern beim Hantieren am Herd besondere Aufmerksamkeit. Kochen im Bikini oder in Badehose ist streng verboten, selbst wenn das Boot eigentlich ruhig liegt, jederzeit muss mit heftigem Schaukeln gerechnet werden. Oft fährt gerade ein Jetskifahrer mit Vollgas 3m am Boot vorbei, während man im Boot vor einem vollen Topf mit kochendem Wassers steht.
Wasser
400 Liter Wasser im Tank sind viel, aber die Menge ist doch endlich. Duschen, Kochen, Zähneputzen was auch immer, wird der Hahn aufgedreht, wird es dem Vorratstank entnommen. Ist der Wassertank leer, ist das Ankern beendet und man muss erst in den nächsten Hafen und Wasser bunkern, es sei denn man hat eine Meerwassserentsalzungsanlage (Watermaker) an Bord und kann Trinkwasser selbst erzeugen.
Energie
Für die elektrische Energie gilt weitestgehend das Vorhergesagte. Man kann nur verbrauchen, was in den Batterien zur Verfügung steht, das ist ungefähr nur 1/3 ihrer Kapazität. Um möglichst lange unabhängig zu sein, haben wir alle Glühbirnen des Bootes gegen LED Leuchten ausgetauscht. Gedanklich hilft es, mal eine Energiebilanz zu erstellen. 1 Stunde schöne Musik mit dem im Boot eingebauten handelsüblichen Autoradio mit 4 x 50 Watt sind bei 12 Volt (200 Watt : 12 Volt = 16,6 Ampere pro Stunde. Der Kühlschrank hat 72 Watt = 6 Ampere pro Stunde, d. h. 12 Ampere in 2 Stunden. Da der Kühlschrank ja nicht den ganzen Tag durchläuft, kommen wir auf einen Verbrauch am Tag von mindestens 30 Ampere, dazu der Strom für die vielen „Kleinverbraucher“: Wasserpumpe, Beleuchtung, GPS, AIS …Allein der Betrieb des gesetzlich vorgeschriebenen nächtlichen Ankerlichts zieht jede Nacht 10 Ampere aus den Batterien. Für den Verbrauch im Servicebereich stehen zwei Batterien zu je 165 Ampere zur Verfügung. Verbraucht werden können also insgesamt ca. 100 Ampere. Wird mehr Strom entnommen, können durch eine Tiefentladung die Batterien irreparabel Schaden nehmen. Wenn man gedankenlos alles wie zu Hause einschaltet, kann das Ankervergnügen schon nach einem Tag zu Ende sein. Wir versuchen daher möglichst viel elektrische Energie durch Solarpaneele und den Windgenerator selbst zu erzeugen. Unerlässlich ist ein Energiemonitor, der den Batterie-Füll-Status sowie Stromzu- und -abfluss anzeigt.
Unsere Solarpanele schaffen mittags im günstigsten Fall 5 Ampere in der Stunde, der Windgenerator bei leichtem Wind ca. 1 – 1, 5 Ampere, d.h. ohne auf den gespeicherten Batteriestrom zurückzugreifen ist der Betrieb des Kühlschranks tagsüber gerade so machbar, in der Nacht wird er ausgeschaltet.
Alles was sonst so betrieben wird und sei es nur die Wasserpumpe um sich die Hände zu waschen oder zu duschen, zieht man aus dem Vorrat in den Batterien. Ist der Himmel bewölkt und der Wind still – kein Strom – dann den Kühlschrank schnell leer essen und statt kaltem Bier auf Rotwein zum Sundowner umsteigen. Wir werden noch so einige Solarpanele nachrüsten.
TV
Wir haben ein Fernsehgerät an Bord, um im Winter vielleicht mal eine DVD zu sehen oder den Computer anzuschließen, um eine Diashow zu betrachten. Der sonst so selbstverständliche tägliche stundenlange „Fernsehgenuss“ findet ob im Hafen oder am Ankerplatz nicht statt, dies wäre am Ankerplatz schon vom Stromverbrauch her kritisch, wenn man denn überhaupt Empfang hat. Wir kämen nicht auf die Idee, an einem wunderschönen Ankerplatz in der Natur, quasi im Paradies den Fernseher einzuschalten, um uns Werbung und Seifenopern anzusehen.
Internet/Wifi
Ist der Nähe der Ankerbucht eine Ansiedlung, gibt es Telefonempfang und auch Wifi, ist das Datenpaket ausgeschöpft – kein surfen. Wir sind Zeugen geworden, wie auf einem großen Motorboot mit vielen jungen Mädchen Panik ausbrach, als diese feststellten, dass sie „offline“ sind, denn in der einsamen Ankerbucht gab es kein Handy-Netz. Die Mädels sind dann schnell wieder weg, Handyempfang war ihnen wichtiger als die Natur.
Müll
Immer wieder erschreckend finden wir die Müllmengen, die beim Ankern anfallen, obwohl wir sehr gewissenhaft nach dem Einkaufen möglichst schon die Umverpackungen gleich entsorgen. Leere Wasserflaschen, Kartons und der ewige Plastikmüll summieren sich schnell zu einem großen Müllsack pro Woche. Der Müll muss irgendwo auf dem Boot möglichst geruchsdicht gelagert werden, bis er an Land entsorgt werden kann.
Landgang
Wenn in Hafennähe grosse Ankerfelder ausgewiesen sind, gibt es oftmals einen Wassertaxidienst, wie z.B. auf der Kanalinsel Alderney oder vor Faro in der Algarve. Dieser wird vom Hafen oder von einem freien Unternehmer betrieben und sorgt dafür, dass man gegen Gebühr an Land und zurück zum Boot kann. Ein Handyanruf oder eine Anfrage im Funk genügt, um eine Fahrt zu buchen. Unabhängiger ist man mit dem eigenen Beiboot.
Es ist nicht immer einfach, eine Anlegestelle im Hafen zu finden, denn ein solcher Platz ist oft in der hintersten Ecke und in keinem Hafenführer verzeichnet, oftmals auch gar nicht vorhanden. Gute Beobachtung der anderen Ankerlieger oder kurze Anfrage beim Nachbarn hilft ungemein.
Zudem ist nicht jedes Beiboot geeignet, denn gerade bei stärkerem Wellengang kann die eigene Überfahrt eine echt nasse Angelegenheit werden. Das Dingi an den Strand zu legen, um Einkäufe zu erledigen, kann bedeuten, dass man im günstigsten Fall zurück rudern muss, denn nichts wird lieber gestohlen als Außenbordmotoren. Wir trennen uns daher, einer geht einkaufen und wird auf Anruf vom Partner abgeholt.